Logbuch

30.11.2020
15:46

Kuba - Grenada 2020

Hinweis: Du kannst die Bilder durch anklicken vergrössern.

Ideale Winde haben mich Mitte Dezember 2019 in nur 24 Stunden von Grand Cayman Island nach Kuba gebracht. Segelfreunde haben mir empfohlen, um einzuklarieren die südliche Insel Cay Largo anzulaufen, eine Touristeninsel, bei der das ganze Einklarierungsprozedere noch einigermassen speditiv ablaufen würde. Die südliche Inselgruppe erstreckt sich über rund 70 Seemeilen nach Westen und besteht aus unzähligen kleinen flachen Inseln durchsetzt mit gefährlichen Riffen und Sandbänken. Bereits drei Seemeilen vor meinem Ziel Marina Cayo Largo musste ich feststellen, dass meine elektronische Seekarte von GARMIN für Kuba absolut ungenügend war. Dies war umso frustrierender, da ich mich auf meinen Reisen durchs Mittelmeer, zu den Kanarische Inseln, Kleine Antillen, ABC-Inseln, Kolumbien, Panama und hoch bis zu den Cayman Inseln zuverlässig auf diese GARMIN Seekarten verlassen konnte. Ohne Alternative hätte ich die kubanischen Gewässer sofort verlassen und weiter nach Jamaica segeln müssen. Da ich zu den vorsichtigen Abenteurern zähle, hatte ich mir von Anbeginn eine zweite Navigationsquelle auf meinem I-Pad eingerichtet, welche auch offline genutzt werden konnte. Diese elektronische NAVIONICS Seekarte hatte es mir erlaubt sorgenfrei Richtung Marina Cayo Largo weiter zu manövrieren. Während meines Kubaaufenthaltes stand also immer hinter dem Kartenplotter von Garmin auch mein I-Pad mit NAVIONICS Karten auf dem Cockpittisch.

Wenn man in Kuba einklariert merkt man sofort, dass sich diese Staatsform markant von bisher Bekanntem unterscheidet. Sieben Personen, alle in unterschiedlichen Uniformen haben mich am Marina Steg in Reih und Glied empfangen. Als da waren der Hafen Kapitän (Portauthority), ein Arzt, ein Zöllner, die Immigration, die Polizei, der Veterinär und der Agronom. Man darf erst dann von Bord gehen, wenn alle Kontrollen durchgeführt, und all die Formulare ausgefüllt, gestempelt und unterschrieben sind. Dieser Vorgang dauerte in meinem Fall etwa 3 Stunden. Bemerkenswert allerdings, dass alle diese Beamten sehr freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit waren. Ganz allgemein habe ich festgestellt, dass die Bevölkerung Kubas trotz ihrer einfachen und eingeschränkten Lebensweise freundlich und lebensfroh ist. Man muss wissen, dass nach der Wiedereinführung des Embargos durch Trump (!) der amerikanische Tourismus fast gänzlich eingebrochen ist und die Lebensmittel- und Konsumgüterversorgung teilweise prekär ist. Die Menschen stehen geduldig Schlange vor den Läden und im Lebensmittelbereich gilt die Devise nicht das einzukaufen was man gerne möchte, sondern das was es hat! Durch das amerikanische Embargo gibt es wieder mehr Armut und Arbeitslosigkeit.

Eigentlich wollte ich mich drei Monate in Kuba aufhalten und nebst segeln auch Landgänge und mehrtägige Touren absolvieren. Unter anderem hatte ich einen Termin bei der Schweizerbotschaft in Havanna, denn meine AHV-Stelle wollte durch ein offizielles Amt bestätigt haben, dass ich noch lebe! Nun lebe ich also noch und die Rente fliesst für ein weiteres Jahr – vielen Dank, liebe AHV. Dieser drei Monatsaufenthalt hat sich aus finanziellen Gründen leider auf lediglich einen Monat reduziert. Im Wissen, dass man in Kuba nicht so einfach an Bancomaten kommt (ausser Havanna), hatte ich bereits in Panama 1'000 Euro cash bezogen. Nun lässt sich aber mit 1'000 Euro keine drei Monate in Kuba leben mit Lebenskosten, Cruising Permit, nationalen Flügen, Hotelaufenthalten und Tagestouren. Mit Erstaunen musste ich feststellen, dass ich mit meinen Schweizer Kreditkarten weder an Bankomaten noch bei internationalen Bankschaltern Geld beziehen konnte. Auch war es nicht möglich, über das Internet Inlandflüge, Hotelaufenthalte oder Ausflüge mittels Kreditkarte zu buchen. Nach Aussage Dritter, soll dies mit dem US-Embargo und den starken Bankbeziehungen zwischen der Schweiz und USA zu tun haben. Damit beschränkten sich meine Kubaerlebnisse auf das Segeln im Süden Kubas und einen 10-tätigen Ausflug nach Havanna. Flug- und Hotelbuchungen hatte meine Tochter von der Schweiz aus für mich gebucht, damit mir noch genügend Bargeld zur Verfügung stand.

Die Reise zur Hauptstadt Kubas hat sich wirklich gelohnt. Es ist eine lebendige Grossstadt, mit einer reizvollen Altstadt mit verwinkelten Gassen, kleinen Geschäften und Strassenrestaurants, aber auch imposanten Bauwerken und monumentalen Hotels, die von einer glanzvollen Vergangenheit zeugen. Auch das Strassenbild mit den vielen amerikanischen Oldtimern vermittelt einen musealen Eindruck. Das kulinarische Angebot in den vielen Restaurants und Bars hat mich absolut überrascht, denn oft waren die Regale der Lebensmittelgeschäfte beinahe leer. Obwohl ich seit über 20 Jahren strikter Nichtraucher bin, konnte ich es mir natürlich nicht entgehen lassen nach einem guten Abendessen auch mal eine echte kubanische Zigarre zu geniessen. Ihr wisst welche: 2.5 cm x 15 cm! Unvergesslich bleibt mir auch die Silvesternacht, die ich in Havanna erleben durfte. El Prado, die grosse Allee, welche vom Castillo am Meer bis zum Capitol führt, war gefüllt mit fröhlichen, feiernden Menschen und es wurde bis in die Morgenstunden zu Salsa, Bolero und Rumba getanzt. Zurück in Cayo Largo, wo «Anita» während meiner Abwesenheit stationiert und vom Hafenmeister bestens bewacht wurde, segelte ich nach Cien Fuego um meine Weiterreise zu planen und auszuklarieren.

Das nächste Ziel sollte Jamaica sein, wo ich auf ideale Wetter- und Windverhältnisse warten wollte um den 800 Seemeilensprung nach Osten zu den Virgin Islands unter meinen Kiel zu nehmen. Gute Ostwinde brachten mich dann auch unter Halbwind innert zwei Tagen und 300 Seemeilen in die Montego Bay in Jamaica wo ich mich wieder einem ziemlich aufwendigen Einklarierungsprozedere zu unterziehen hatte. Fünf Beamte waren an Bord, alle aber sehr freundlich und hilfsbereit beim Formulare ausfüllen. Vor allem aber haben sie meine «Anita» bestaunt. Den Kühlschrank hatte ich anschliessend wieder mit Getränken aufzufüllen. Die Nordküste Jamaicas erstreckt sich über rund 100 Seemeilen und bietet einige sehr schöne Ankerplätze und Marinas zum Verweilen, wie Discovery Bay, Saint Ans Bay, Ocho Rio, Oracabessa Bay (Filmkulisse zu James Bonds «Moonraker») und Port Antonio ganz im Osten der Insel. Von Ocho Rio aus wollte ich mit dem Bus einen Zweitagesausflug zur Hauptstadt der Insel Kingston im Süden von Jamaica zum Bob Marley-Museum (King of Reggae) unternehmen. Dazu ist es leider nicht gekommen, da mir Einheimische davon abgeraten haben wegen Einbruchgefahr mein Schiff nicht tagelang unbemannt zu lassen. Solchen Insiderratschlägen sollte man eigentlich immer und überall Folge leisten. Beinahe eine Woche habe ich mich in Port Antonio, dem Ausklarierungshafen im Osten des Landes aufgehalten. Es sind zwei grosse natürliche Buchten mit sicherem Ankergrund und der bekannten sehr gut geführten Errol Flynn Marina. Hier habe ich mich auf die etwa einwöchige Übersegelung gegen den Wind zu den Virgin Islands, welche zu den Kleinen Antillen gehören, vorbereitet. Im Wesentlichen ging es darum auf die richtigen Windverhältnisse zu warten. Bei den vorherrschenden Ostwinden, gibt es ab und zu Wetterlagen mit Windrichtung aus westlicher Richtung für ein oder zwei Tage, was natürlich ein komfortables Vorwärtskommen nach Osten bedeutet.

Am 22.01.2020 war es dann so weit – Ausklarieren, Anker auf und ab Richtung Osten. 24 Stunden wurde ich dann mit herrlichem Rückenwind etwa 150 Seemeilen nach Osten getragen, bevor der von Ost wehende Passat eingesetzt hatte und ich gegen den Wind aufkreuzen musste. Allerdings hatte ich eine gute Wetterberatung durch meine Tochter in der Schweiz, mit der ich täglich per Sat. Telefon in Kontakt stand. Da ich kein Internet zur Verfügung hatte meldete ich täglich mittags meine Position, woraufhin meine Tochter Anita die kommenden Windrichtungen- und Stärken gemäss «Windguru», einem weltweiten Segler-Wetterportal, interpretiert und mir ganz professionell erklärt hatte. Damit konnte ich entscheiden, eher südlich oder nördlich schlechten Bedingungen auszuweichen. Nicht verwunderlich, dass ich dadurch statt der geplanten acht Tage nach nur sechs Tagen am 28.01.2020 die 800 Seemeilen absolviert hatte und in Spanish Town auf Virgin Gorda (BVI) einklarieren konnte.

Die British Virgin Islands habe ich bereits 2017 besegelt und in meiner Homepage beschrieben. Deshalb gehe ich nur auf wenige neue Erkenntnisse und Eindrücke ein. Einen grossen Eindruck haben mir die immer noch überall sichtbaren Schäden vom Hurrikan «Irma», der einige Monate nach meinem Aufenthalt in den BVI’s 2017 wütete, gemacht. Die Dächer vieler Häuser sind neu, oder es fehlt einfach das obere Stockwerk. Einige Hotelressorts wurden nicht mehr aufgebaut oder sind noch im Wiederaufbau, ebenso die Marinas. Hunderte von Yachten sind 2017 in den Marinas gesunken oder an Land umgestürzt. Die Natur hat sich hingegen schnell wieder erholt, wenn man bedenkt, dass die Laub- und Palmenwälder mehrheitlich entblättert wurden. Der Tourismus blüht heute wieder mit Kreuzfahrtschiffen und einem riesigen Yachtcharterangebot. Eher zu viel des Guten, denn die Buchten und Marinas sind überfüllt. Damit die Buchten besser ausgelastet werden können, wurden überall Bojen gesetzt. Die Übernachtung kostet dann jeweils 30 US Dollar pro Yacht, was für eine Charteryacht mit 6-10 Personen kein finanzielles Problem darstellt, für Klein- oder Kleinstcrews aber schon – mindestens für eine längere Aufenthaltsdauer. Nach wie vor sind die Virgin Islands jedoch ein herrliches Segelrevier mit günstigem Passatwind, und geschütz von den Atlantikwellen durch die unzähligen kleineren und grösseren Inselgruppen. Schön war auch das Wiedersehen mit einem altbekannten Seglerehepaar aus der Schweiz. Leider hatte die „Lady Aquamarine“ Pech und erlitt in einem leichten „Squall“ Mastbruch wegen eines korrodierten Wantenterminals. Ich war kurz nach dem Mastbruch zugegen und es hat wehgetan, zu sehen wie ein stolzes Schiff mit gebrochenem Mast hilflos in den Wellen schaukelte. Zum Glück geschah das Ereignis in unmittelbarer Landnähe, wo relativ schnell Hilfe zugegen war und die Skipperin mit dem Schrecken davonkam. Mein Plan für die Segelsaison 2020 bestand darin, von den Virgin Islands von Insel zu Insel Richtung Süden nach Grenada zu segeln um dann wieder die Hurrikan Saison in relativ sicheren Gefilden zu verbringen. Zudem plante ich einen Schweizaufenthalt Mitte Juli bis Ende August. Den Flug hatte ich bereits Anfang Februar gebucht.

Dann kam Corona und die ganze Welt, aber auch meine hatte sich schlagartig verändert. Bei meiner Etappe Mitte Februar nach St. Martin hatte man erste schockierende Meldungen aus China in den Schlagzeilen lesen können – aber China ist ja weit weg. In St. Martin konnte ich noch einige wichtige Ersatzteile für mein Boot kaufen, ebenso musste ich die Kühlwasserpumpe meines Motors wegen eines Lecks revidieren lassen. Auch hat mein ganzes Sonnen/Regenverdeck auf der Karibiktour unter der UV-Bestrahlung stark gelitten und viele Nähte waren aufgesprungen. Das solide Sombrilla Stoffmaterial hat sich allerdings sehr gut bewährt und sich lediglich etwas verfärbt. In der zweiten Woche März ist dann der erste Covid-19 Fall in St. Martin aufgetreten, als ein aus Mailand kommendes Ehepaar seinen Sohn besuchen wollte und sich dann gegenseitig angesteckt hatte.

Höchste Zeit also weiter zu segeln. Als ich dann nach zwei Tagen in Antigua ankam wurden bereits von mehreren infizierten Karibikinseln berichtet und es bestand eine allgemeine Verunsicherung, da uns aus Europa insbesondere Italien, Frankreich und England ganz schlimme Nachrichten erreichten. Die Karibikinseln wussten sich dann aber schnell zu schützen, indem sie ihre Flug- und Seehäfen rigoros schlossen und den Einheimischen und verbliebenen Gästen unter einem strengen Lockdown verschrieben. Dieser Lockdown wurde erst nach sechs Wochen etwas erleichtert, indem man wieder den ganzen Tag einkaufen konnte (mit Maske), die Strände nutzen konnte und frei innerhalb des Hoheitsgebietes segeln durfte. Ende April waren fast alle Karibikinseln wieder virenfrei (mit Ausnahme der französischen Inseln). Maskenpflicht und Einreiseverbote blieben jedoch bestehen. Anfangs dachten die Segler, dass sich die Situation bis Mitte Juni beruhigen würde und man dann Richtung Grenada in die mehr oder weniger Hurrikan freie Region segeln könnte. Dem war jedoch nicht so und die Grenzen blieben auch im Juni geschlossen.

Glücklicherweise wurde sich Grenada der für die Segler in den mittleren und nördlichen Antillen zunehmend gefährliche Zustand wegen Hurricangefahr bewusst und präsentierte einen streng organisierten und kontrollierten Einreiseplan für die „Yachties“ aus. Man musste sich vorzeitig per E-Mail anmelden und die Einreiseformulare ausfüllen. Dann erhielt man ebenfalls per Mail ein Ticket mit allen Spezialanweisungen und ein 3-Tagesfenster für die Ankunft in Grenada. Zwischenstopps wurden untersagt – also 300 sm Antigua nach Grenada nonstop. Vor der Hauptstadt St. George war ein spezielles Quarantäne Ankergebiet eingerichtet, welches von der Coastguard kontrolliert wurde. Zwei Wochen durfte man sein Schiff nicht verlassen. Im Anschluss daran wurde man aufgerufen und konnte mit dem Beiboot an einem speziellen Quarantänedock anlegen und wurde auf Covid-19 getestet. Mit dem negativen Covid-19 Attest war dann der Weg frei für Zoll- und Immigration – aber immer und überall mit Maske. Die Restaurants und Hotels waren geschlossen allein Takeaway war möglich.

Da der Flughafen von Grenada auch im Juli noch geschlossen war, wurde meine Reise in die Schweiz storniert. Ich erhielt von AirCanada ein Reiseguthaben, welches ich innert zwei Jahren einlösen kann.

Die folgenden Corona-Monate in Grenada waren trotzdem abwechslungsreich. Obwohl diese Gegend nur selten von Tropischen Stürmen heimgesucht wird, verfolgen die Yachties das Wetter und die Hurricanzugbahnen täglich. Nervosität ist Ende Juli aufgekommen, als der Tropensturm Gonzalo Grenada ins Visier genommen hatte. Manche Yachten hatten sich bereits in die Mangroven versetzt oder sich mit einem Zweitanker abgesichert. Glücklicherweise hat der Sturm dann seine Zugbahn etwas nach Norden verlegt. Viele neue Seglerbekanntschaften haben mein Leben während der Coronazeit in Antigua und Grenada bereichert. Oft haben wir uns am späten Nachmittag am Strand mit anschliessendem Abendessen (ab und zu gabs auch Fondue) getroffen, unternahmen Ausflüge in den Regenwald und gingen gemeinsam shoppen. Die Geschäfte und Restaurants waren ab August wieder offen, allerdings mit strengen Coronaauflagen.

Im Oktober war ich mit «Anita» zwei Wochen auf dem Trockenen um jährlich anfallende Unterhaltsarbeiten ausführen zu lassen (Unterwasserschiff reinigen, und mit neuem Antifoulinganstrich versehen, Rigg prüfen lassen, Motorenservice, usw.). Im Oktober war ich für einen ganzen Monat in der wunderschönen Port Louis Marina bei St. George’s. Gleichzeitig waren auch meine neuen Schweizerfreunde Theres und Claude aus Meiringen mit ihrer Yacht «Swiss-Lady» dort. Die beiden haben ihr Hotel ihrer Nachfolgegeneration übergeben und sind nun auf Weltumsegelung. Claud ist gelernter Koch und Patissier. Wie habe ich doch davon profitiert. Oft durfte ich wünschen, was ich gerne zu Abend essen möchte und er hat dann gekocht. Im Gegenzug war ich für Apero und Wein zuständig. Da ich für zwei Monate einen Mietwagen hatte (rechtsgesteuert und Linksverkehr), waren wir oft gemeinsam unterwegs und kennen nun diese paradiesische Tropen Insel Grenada recht gut, natürlich auch viele gute Restaurants, die offene Brauerei und Shoppingcenter. Die Einheimischen sind natürlich froh, dass eine recht grosse Anzahl Segler die Hurricanzeit hier verbringen, denn seit März dieses Jahres fehlen täglich ein bis zwei Kreuzfahrtschiffe, welche tausende von Touristen für einen Tag hierher bringen und den Menschen eine gute Existenz ermöglichen. Obwohl Grenada faktisch virenfrei ist, gibt es wenig internationalen Flugverkehr. Einerseits haben alle Länder dieser Welt ihre eigenen Coronaprobleme und andererseits schützt sich Grenada vor der Pandemie mit strengen Auflagen (Covidtest und Quarantäne).

In den Tropen gibt es aber auch noch andere gefährliche Krankheiten. Mit einer dieser Krankheiten, dem Dengue-Fieber (auch Knochenfresser Krankheit genannt) hatte ich Bekanntschaft gemacht. Ich lag in Carriacou vor Anker und plötzlich bekam ich starke Glieder- und Gelenkschmerzen und das Fieberthermometer stieg auf 40 Grad, verbunden mit Schüttelfrostanfällen und Durchfall. Ohne fiebersenkende und schmerzlindernde Medikamente kann diese, von Stechmücken übertragene Krankheit, lebensgefährlich sein. Solche Medis hatte ich als Blauwassersegler natürlich an Bord und ich konnte nichts anderes tun als liegend und schlafend abwarten bis mein Immunsystem den Kampf gegen das Virus gewonnen hatte. In meinem Fall hatte dies eine Woche gedauert. Allerdings war mein Köper durch die Krankheit und die fehlende Nahrungsaufnahme so geschwächt, dass ich noch Wochen daran zu leiden hatte. Man glaubt es nicht, aber anfänglich hatte ich Mühe die fünf Stufen des Niedergangs (Treppe vom Salon zum Cockpit) hochzusteigen.

Nun ist bereits Adventszeit und überall sieht man Weihnachtsdekorationen und hört Weihnachtsmusik. Aber trotzdem kommt hier in der Karibik mit 30 Grad Luft- und 27 Grad Wassertemperatur nicht wirklich Weihnachtsstimmung auf. Tauschen möchte ich aber mit niemandem. Wie es wegen Corona weitergeht ist noch unklar. Mein Visum in Grenada läuft Ende Dezember 2020 aus. Noch sind die Einreisemöglichkeiten für die nördlicheren Inseln schwierig oder unmöglich. Allerdings kann das Grenada Visum mit Begründung verlängert werden. Somit bin ich hier im Beinahe-Paradies glücklich und zufrieden. Sogar meine Lebensbescheinigung durch das Schweizerkonsulat in Grenada ist bereits an die AHV Schweiz unterwegs, womit für mich auch 2021 die Kasse weiter klingeln wird.

Auf ein gesundes und erlebnisreiches 2021.

 

 

 

 

facts und figures: Die Rundreise von Grenada um das karibische Meer zurück nach Grenada dauerte mit mehrmonatigen Aufenthalten bei den ABC-Inseln, Kolumbien, Panama und Antigua insgesamt knapp zwei Jahre. Die zurückgelegte Strecke unter Segel betrug 5‘900 Seemeilen, davon 5'400 Seemeilen «einhand» und ebenso viele Erlebnisse und Erfahrungen. Dies war meine bisher schönste Rundreise unter Segel.

SY Anita(info@sy-anita.ch)Forward articlePermalinkComments 0Gravatar: SY Anita
Views: 2395
13.12.2019
16:41

Panama mit San Blas Inseln

Die Distanz von Santa Marta (im Norden Kolumbiens) nach Panama beträgt rund 350 Seemeilen. Frühling ist eine ideale Zeit, um diese Strecke in Angriff zu nehmen, da immer noch die von Ost nach West wehenden Passatwinde die Vorherrschaft in der Karibischen See innehaben. So bereitete ich mich also Ende März 2019 auf die drei Segeltage mit Kurs 250 Grad Richtung Panama vor. Es war dann auch bei sonnigen Tagen, sternenklaren Nächten mit viel Wind aus der richtigen Richtung ein cooler Ritt mit meiner «Anita» nach Panama, in die Ankerbucht von Porto Lindo.

Panama - ein wohlklingender Name und für die meisten Hochseesegler der eigentliche Start mit der Durchquerung des Panama Kanals zur Weltumsegelung mit den Galapagos Inseln, den pazifischen Südsee Inseln, Australien, Südamerika (Kap der guten Hoffnung) und zurück in den heimischen Atlantik. Nicht für mich und «Anita». Ich habe meiner Tochter und den Enkelkindern versprochen in absehbarer Zeit wieder ins Mittelmeer zurückzukommen, um der Familie und Freunden in relativer Nähe vermehrt Kurzaufenthalte auf «Anita» zu ermöglichen. Hinzu kommt aber auch ein persönliches Argument, wonach altersbedingt (71+) die Nähe zu Heimat und Familie, aber auch medizinischer Sicherheit zunehmend Priorität erlangt. Ich schätze mich ausserordentlich glücklich und bin dankbar, dass ich zurzeit mehr als gesund und fit bin und trotzdem sind die Anforderung an eine Weltumsegelung hoch (mehrheitlich einhand) und daher eher jüngeren Seglern mit Begleitung vorbehalten.

Ein halbes Jahr wollte ich in Panama bleiben und vorwiegend die bekannten San Blas Inseln besegeln, unterbrochen mit Landausflügen nach Panama City, Colon sowie der Besichtigung des Panamakanals. Panama City ist eine Weltgrossstadt mit einer beeindruckenden Skyline. Mit dem Citybus ‘Hop on hop off’ konnte ich die Stadt und ihre Umgebung auf bequeme Art und Weise erkunden. Ein Tagesausflug zur Miraflores Schleuse mit dem Visitor Center und dem dazugehörigen 3-D Cinemax Kino über den Bau und Betrieb des Panama Kanals wird mir unvergesslich in Erinnerung bleiben. Dass ich sogar selber noch den Kanal durchfahren würde, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.

Im Gegensatz zur modernen, sauberen und weltoffenen Stadt Panama City am Pacific gelegen, erschien mir die gegenüberliegende Seite am karibischen Meer vernachlässigt und schmutzig. Im Stadtkern der Grossstadt Colon zerfallen die Häuser und viele Strassen sind fast nicht befahrbar. Touristen werden vor hoher Kriminalität gewarnt. Was mich besonders negativ beeindruckt hat, war das fehlende Verständnis der Bevölkerung zu einer intakten Umwelt. Die Landstrassen sind eine einzige Mülldeponie. Jede Getränkedose, jede Styroverpackung einfach alles fliegt zum Bus-, Taxi oder Autofenster raus. Das fehlende Umweltverständnis dürfte ein Bildungsmangel sein, denn ein obligatorisches Schulsystem gibt es erst seit wenigen Jahren.

Die karibische Seite Panamas hat zwei seglerische Hotspots zu bieten. Es sind dies die San Blas Inseln im Osten und Bocas del Toro im Westen. Diese Regionen liegen weit ausserhalb der Hurrikan Zugbahnen und sind deshalb prädestiniert für Segler die ganzjährig auf ihrem Schiff leben. Allerdings ist dann Sommerzeit und damit auch Regenzeit. Die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch und liegt meist über 80%. Natürlich regnet es nicht dauernd, aber während der Monate Juli bis Oktober gibt es fast täglich Gewitter mit Blitzen und Wetterleuchten im Sekundentakt.

Die San Blas Inseln bestehen aus mehreren hundert Klein- und Kleinstinseln nahe am Festland. Sie sind teilweise bewohnt von den «Kunas», einem indigenen Volk, welches noch mehrheitlich nach alten Traditionen lebt und auch eine eigene Sprache pflegt. Als Gast und Besucher fühlt man sich in die Zeit Columbus versetzt. Die Kunas leben in einfachen Hütten aus Palmstämmen mit Blätterdach. Es gibt keine Elektrizität und das Wasser wird vom Regen gesammelt oder muss vom Festland bezogen werden. Die Männer sind tagsüber mit ihren Einbaum-Booten auf Fisch- und Krabbenfang unterwegs, während die Frauen ihre Kinder betreuen und spezielle Stickereien (Molas) für die Touristen herstellen. Die Inseln bestehen ausschliesslich aus Sand und Kokos-Palmen und sind mit einem Meter Höhe über Wasserlinie unweigerlich vom «Untergang» bedroht, sollte der Meeresspiegel durch die Klimaveränderung nur einen halben bis einen Meter steigen. Die Inseln sind von grossen Riffen umgeben und schützen damit die Inselwelt von den oft rauen Atlantikwellen. Diese geschützte Inselwelt bietet ideale Verhältnisse zum Segeln, Schnorcheln und sicheres, gemütliches Ankerliegen. Ich habe fast 5 Monate mit nur kleinen Unterbrüchen in diesem Paradies gelebt und nenne es «Kleinpolynesien». Allerdings, und ich komme aus einem speziellen Grund auf diese Erwähnung, ist das Navigieren in dieser Inselwelt recht anspruchsvoll und es braucht spezielle Handbücher und Karten um sich in den Untiefen und Riffen zurechtzufinden.

Als ich vor sieben Jahren losgesegelt bin, habe ich mich immer wieder gefragt, wann wird dich wohl einmal das Glück verlassen und ein verhängnisvolles Ereignis eintreten durch technisches Versagen, Grundberührung, Unbill des Wetters oder medizinischem Notfall. Dieses Ereignis ist hier in den San Blas Inseln eingetreten, allerdings nicht verhängnisvoll aber trotzdem ging mir das Erlebnis durch Mark und Bein. Durch Unachtsamkeit, ich habe zwei vorliegenden Navigationskarten nicht gegenseitig abgecheckt, bin ich allerdings mit null Fahrtgeschwindigkeit auf ein eineinhalb Meter tiefes Riff gedriftet. Der unterste Teil (20cm) meines Ruders hatte sich dabei in einem Korallenkopf eingeklemmt und war beim Ausbruchversuch geräuschvoll gebrochen. Ich war allein und konnte das Schiff nicht verlassen, wusste also zu diesem Zeitpunkt noch nicht welchen Schaden das Ruder genommen hatte. Etwas beruhigt hatte ich nach dem Losbrechen festgestellt, dass das Ruder nach wie vor auf meine Steuerimpulse reagiert und auch keine Klemm- oder Geräuschindikatoren feststellbar waren. Also bin ich in die nächste Ankerbucht gefahren und habe tauchend den Schaden inspiziert. Ich hatte wirklich ein grosses Glück, denn der Ruderbruch war nur wenige Zentimeter unterhalb der Metallverstärkung im Ruderblatt (Bild). Wäre der Angriffspunkt des Korallenkopfs höher gewesen, wäre nicht nur ein Stück Kunststoffteil abgebrochen, sondern das ganze Ruder inklusive Lagerungen hätte dabei grossen Schaden genommen. Glück im Unglück! Ich konnte bedenkenlos weitersegeln bis ich 14 Tage später meine «Anita» in der Panamarina auswassern liess und den Schaden in wenigen Tagen selber beheben konnte.

Mitte Juli hatte mich ein deutsches Ehepaar, welches mit ihrer Segelyacht den Kanal durchqueren wollte gefragt, ob ich als Gehilfe, respektive Leinenhalter, diese Fahrt mitmachen würde. Mit grosser Freude hatte ich natürlich zugesagt. Wer möchte schon auf eine Fahrt durch die Panama Schleusen, den Gatun See und den Panamakanal verzichten. Es war wirklich ein einmaliges Erlebnis – nicht einfach vom Visitor Center eine Schleuse zu bewundern, sondern die gesamte Kanaldurchfahrt selber miterleben zu können.

Ende August stand dann eine Visareise nach Costa Rica auf dem Programm. Da es wegen der Hurrikan Saison noch zu früh war Richtung Kuba zu segeln, musste ich Panama für kurze Zeit verlassen um dann wieder einzureisen mit einer neuen Aufenthaltsbewilligung. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich der Blauwassersegler (Weltenbummler) ausführlich mit den jeweiligen länderspezifischen Gesetzten und Regelungen für Schiff und Crew auseinanderzusetzten hat und dies besser vor dem Landgang. Wer will schon zurückgewiesen werden, hohe Bussen bezahlen oder sogar sein Schiff an der Kette sehen. Hierzu gibt es eine ausgezeichnete Internetseite (noonsite.com), welche weltweit und laufend aktualisiert, länderspezifische Informationen beinhaltet.

Meine Visareise nach Costa Rica war ein tolles Erlebnis. Eine Woche mit dem Mietwagen quer durchs Land, vom karibischen Meer zum Pacific, durch Tropenwälder, vorbei an beindruckenden Vulkankegeln, über Schotterstrassen in die Berge zu Kaffee- und Bananenplantagen. Von dem Trip erholt habe ich mich in einem Spa-Ressort in Fortuna beim Vulkan Arenal. Dies allerdings in der Nebensaison. Costa Rica ist während der Reisezeit ein teures Pflaster. Diese Vulkanregion mitten im Regenwald und einem Naturschutzgebiet bietet eine grosse Menge von Abenteuerexkursionen wie Zip line Treck, Skywalk über dutzende Hängebrücken, Riverrafting, Kayak und Biketouren. Die Tour durch den Urwald mit Hängebrücken war ein wunderbares Naturerlebnis - das Abenteuer mit den Zip lines eine reine Adrenalinangelegenheit. Dabei ging es mit Offroad Fahrzeugen den Berg hoch und dann über mehrere Hängeseile an einer Seilrolle über Täler und Schluchten mit bis zu 80 km/h ins Tal hinunter. Wow!

Zurück in Panama hatte ich im Oktober noch Besuch aus der Schweiz mit einem lässigen Abschiedstörn durch die San Blas Inseln. Um nach Bocas del Toro im Westen von Panama an der Grenze zu Costa Rica liegend zu segeln, war es lediglich eine Zweitagesfahrt, allerdings mit ziemlich viel Gegenstrom, der sich ganzjährig an der Ostküste Mittelamerikas Richtung Süden bewegt und «Anita» fortwährend mit bis zu eineinhalb Knoten abgebremst hat. Bocas der Toro liegt auf der Insel Colon in Mitten einer naturbelassenen und spärlich besiedelten Inselwelt. Das Städtchen selbst ist sehr touristisch, denn es wird täglich von dutzenden Ausflugsbooten mit Tagestouristen vom Festland angelaufen. Dafür gibt es dort unzählige Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Bars. Dies war für mich sehr vorteilhaft, da ich hier meine Lebensmittelvorräte auffüllen konnte und auch die Formalitäten für die Aus- und Weiterreise Richtung Insel La Providencia (kolumbisch), Cayman Inseln (englisch) und schlussendlich Kuba, erledigen konnte.

Die beiden kolumbianischen Inseln San Andres und La Providencia sind auf dem Weg nach Norden sehr günstig gelegen, da sie den Seglern einen Unterbruch zu der recht grossen Distanz (800 sm) nach Kuba erlauben. Ich habe mich für die kleinere nördlich gelegene Insel La Providencia entschieden, denn sie wurde mir wegen ihrer Schönheit empfohlen. Das Ein- und Ausklarieren ging recht einfach zu und her, denn der Agent (Mr. Bush) leitete alles notwendige in die Wege. Ich musste also nicht von Amt zu Amt, die betreffenden Beamten kamen allesamt zu mir aufs Schiff. Erwähnenswert ist einerseits die Tagestour, die ich mit einem Roller unternommen habe und die zauberhafte Insel umrundete und andererseits die Bekanntschaft, die ich mit einem jungen Seglerpaar gemacht habe. Nathaly und Marc sind Sporttaucher im Stiel Freitauchen. Man stelle sich vor, die Beiden tauchen ohne irgendwelche Hilfsmittel in über achtzig Metern Tiefe. Sie nehmen an Meisterschaften Teil und waren jeden Tag am Trainieren. Nathaly ist übrigens Afrikanische Meisterin im Freitauchen.

Bereits nach einer Woche segelte ich weitere drei Tage zum nächsten Zwischenstopp, Gran Cayman.

Auch hier war das Einklarieren sehr unproblematisch und die Beamten waren alle sehr freundlich und hilfsbereit. Gran Cayman ist ja bekannt wegen seines Rufes als Steuerparadies. Leider musste ich meine Bankentour abbrechen, denn keine Bank konnte ein Konto ausgestellt auf meinen Namen finden. Dies schien bei Anderen der Fall zu sein, denn die kleine Insel ist in den unzähligen Lagunen mit hunderten von Supervillen, alle mit Offshore und/oder Segelyachten vor ihrem Grundstück, überbaut. Bewohner dieser Villen sieht man wenige, die sind meist nur für Ferienzwecke bewohnt!

Die Infrastruktur der Insel ist aufgrund des Reichtums ausgezeichnet und sehr gepflegt. Es gibt viele Einkaufszentren, Shoppingmals, Hotels, Bars und Restaurants. Täglich gehen hier drei bis sechs Kreuzfahrtschiffe vor Anker und entladen dann bis zu 10'000 Touristen, welche all die Shoppingmals, Strände und Restaurants überfluten. Wöchentlich ein- bis zweimal sieht man am Abend Feuerwerkkompositionen die problemlos mit den grossen Spektakeln dieser Welt konkurrieren könnten.

 

Hier in Gran Cayman habe ich auch meine Tiefseetauch Freunde von La Providencia wieder getroffen. Für die gleiche Distanz, welche ich in drei Tagen zurückgelegt hatte, benötigten die Beiden volle fünf Tage. Kommt noch hinzu, dass der Autopilot ihres Catamarans kurz nach dem Start ausgefallen war und die gesamte Strecke von 400 Seemeilen von Hand gesteuert werden musste, Tag und Nacht, versteht sich. Es ist nun kurz vor Weihnachten, und ich bereite mich für die letzten 150 Seemeilen nach Kuba vor. Hier in Grand Cayman kann man viele Lebensmittel einkaufen, die in Kuba schwer erhältlich sind. So konnte ich hier auch meinen Gasvorrat zum Kochen, sowie Diesel und Benzin bunkern.

 

Ich freue mich auf Kuba!

SY Anita(info@sy-anita.ch)Forward articlePermalinkComments 0Gravatar: SY Anita
Views: 3177
06.06.2019
15:47

ABC-Inseln und Kolumbien 2018/2019

Von Grenada aus sollte es nun, bald Ende September, weiter Richtung ABC-Inseln und Kolumbien gehen. Aus Hurrican Sicht noch etwas früh, allerdings zielte mein Kurs für die kommenden drei Tage von Grenada nach Bonaire immer mehr aus der Zugbahn der möglicherweise noch auftretenden Hurricanes. Die Wettervorhersage versprach auch eine ruhige und doch schnelle Überfahrt. Und so war es dann auch. Drei Tage und Nächte für 420 Seemeilen und damit ein durchschnittliches Tagesetmal von über 140 Seemeilen sind für ein 40 Fuss Segelschiff eine sehr gute Leistung. Noch vor kurzer Zeit haben die Segler diese Distanz in einzelnen Tagestörns über die Venezolanischen Inseln Blanquilla, Los Roques und Islas Las Aves zurückgelegt. Seit 2018 hat allerdings das EDA vor Reisen in diese Archipelagos sowie auch das Festland Venezuelas wegen politischer Instabilität abgeraten. Zurzeit (Frühling 2019) sind sämtliche Häfen Venezuelas für ausländische Schiffe gesperrt.

Die Ankunft in Bonaire war für das Auge einerseits eine herbe Entäuschung andererseits aber eine wundersame Überraschung. Erwartet hatte ich ähnliche tropische Bilder mit üppig überwachsenen Hügeln und Bergen sowie Palmen und weissen Sandstränden wie in den kleinen Antillen. Nichts dergleichen. Die Inseln der holländischen Antillen sind flach, überwachsen mit Büschen und Kakteen (Palmen gibt es nur bei Hotels), statt saftigem Grün herrscht die Farbe braun für Trockenheit vor. Wettgemacht wurde der eher enttäuschende Anblick der Inseln durch das absolut kristallklare Wasser und die entsprechende Sicht auf eine fantastische Unterwasserwelt. Sehenswert auf Bonaire ist der Washington Nationalpark, den man allerdings auch mit dem eigenen Schiff erreichen kann, die Salinen im Süden der Insel sowie die hübsche kleine Hauptstadt Kralendijk mit vielen Bars, Restaurants und Geschäften.

Die Gesamte Küste der Insel ist ein Naturschutzgebiet, ankern ist grundsätzlich verboten. Allerdings liegen vor dem Städtchen Kralendijk rund 40 Festmacherbojen (bis 54“-Schiffslänge) und entlang der Westküste etwa 70 Tagesbojen zum schnorcheln und tauchen. Die Festmacherbojen vor dem Stätchen kosten 10 USD pro Nacht. Die Regelung lautet „first come, first serve“. Bleiben kann man solange man bezahlt. Der Beitrag zum Naturschutzgebiet beträgt 10 USD pro Person für 3 Monate und berechtigt zur Tagesnutzung der Tauchbojen. Während meines Bonaire Aufenthaltes hatte ich wieder mehrmals Besuch von Freunden und Bekannten aus Europa. Segeln, schnorcheln, sonnenbaden und gut essen, dass war die Devise für diese Zeit. Vorallem die Eindrücke Unterwasser haben bei den Gästen und natürlich auch mir grossen Eindruck hinterlassen. Diese Vielfalt an Fischen und Korallen in klarem Wasser ist sicher einzigartig. Man braucht dazu nicht irgendwo hinzufahren - an einer Boje festmachen, badeleiter runter, Taucherbrille an und schon ist man inmitten einer anderen, fantasrischen Welt, als ob man sich eben grad in eines der weltweit bekannten Ozeanisches Unterwasseraquariums begeben hätte. Haluk, einer meiner Gäste hat 60 Gigabite Unterwasserfotos und Filme aufgenommen!!!

Die ABC-Inseln (Aruba, Curacao, Bonaire) sind reine Touristeninseln und werden ganzjährig von Kreuzfahrtschiffen angelaufen und jährlich von tausenden Amerikanern und Europäern für Tauchsportferien besucht. Die Inseln gehören in Taucherkreisen zu den „top ten“ weltweit. Für Segler, die einen Zeitplan einzuhalten haben, empfehle ich Bonaire anzulaufen. Curacao hat ausser dem hübschen Städtchen Willemstaad und einer gut ausgerüsteten Werft mit einer kleinen Marina nichts besonderes für Segler zu bieten. Ankern ist nur in der Lagune „Spanish Water“ mit entsprechender Wasserqualität möglich und das Ein- und Ausklarieren ist das Umständlichste, was ich in den kleinen Antillen je erlebt habe. Auch Aruba ist vorwiegend ein Taucher Hotspot, wo sich im Allgemeinen nur wenige Yachties aufhalten. Wer allerdings seine Yacht für einen Segelunterbruch an Land stellen möchte, kann dies lediglich in Curacao oder Aruba tun. Bonaire verfügt nicht über die notwendige Infrastruktur, obwohl es beim Städtchen Kralendijk eine sehr schöne Marina gibt, aber leider keine Werft mit Krananlage.

Da ich meinen 3-wöchigen Schweizurlaub auf Anfang Oktober geplant hatte, war die Curacao Marina meine beste Wahl, um das Schiff an Land zu hieven und während meiner Abwesenheit Motor- und Saildriveservice ausführen zu lassen. Drei Wochen ist wiederum eine kurze Zeit, um all die Freunde, Bekannten und Verwandten in der Schweiz zu treffen. Diesmal war es ganz speziell. Ich hatte ja Anfang September einen runden Geburtstag, der mit „7“ anfängt, den ich allerdings in Grenada mit Seglerfreunden gefeiert hatte und somit nicht in der Schweiz weilte. Nun, was war geschehen, ich wurde von einem Seglerfreund zum vorab festgelegten Nachtessen in Felsberg abgeholt. Statt vor sein Haus zu fahren, parkierte er vor dem Gemeindehaus und liess mich aussteigen. Ich habe mich zwar gewundert, aber was soll’s. Erst als mich meine Tochter mit dem „Anita“ T-Shirt vor der Lifttüre begrüsste, ahnte ich „schlimmes“. Wir fuhren mit dem Lift in das Dachstockwerk zum grossen Gemeindesaal – die Tür ging auf und die meisten meiner Freunde, Bekannten und Verwandten aus der ganzen Schweiz und sogar dem Ausland strahlten mich lächelnd an. Eine riesen Überraschung, die wieder einmal meine Augen zum überlaufen brachten. Wir verbrachten einen herrlichen Abend mit reichhaltigem Buffet, gutem Wein, einer Multimediashow meiner Zeit auf dem Meer und vielen angeregten Gesprächen und ebenso vielen Geschenken und Zuwendungen. Vielen, vielen Dank an all die Gäste, die allein wegen mir angereist sind. Ein grosses Kompliment dem kleinen, aber effizienten OK unter Führung meiner Tochter Anita für die ganze Organisation inklusive «Schmidi’s Buffet» und ebenfalls noch einen herzlichen Dank an meinen Seglerfreund Patrick für die beiden Multimedia Shows „Sun down“ und „Skippers dream“, mit den schönsten Sonnenuntergängen und vielen Bildern meiner Mitsegler der vergangenen Jahre. Ein unbezahlbahres, bleibendes Zeitdokument.

Dass zur selben Zeit, 7000 km westlich in Curacao der Servicemann an meinem Boot festgestellt hat, dass mein Saildrive (Propellerantrieb) komplett defekt und ersetzt werden muss war noch ein mitternächtliches Geheimnis der Zeitverschiebung. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass so ein Saildriveantrieb mit Beschaffungs- und Aus-/Einbauaufwand 14‘000 Dollar kosten würde(!), ich wusste aber auch noch nicht, dass meine Versicherung durch das versicherte Zusatzrisiko „Maschinenschaden“ den gesamten Schaden diskussionslos übernehmen würde. Vielen Dank – Allianz Suisse. Natürlich bezahlt man Prämien für Versicherungsleistungen, nur war ich sehr erstaunt, wie unkompliziert die ganze Schadensabwicklung von der Versicherung gehandhabt wurde.

Zurück in Curacao war noch das Unterwasserschiff mit neuen Antifouling-Anstrichen zu behandeln, danach ging „Anita“ wieder in ihr Element Wasser.

Der Jahreswechsel ins neue Jahr 2019 war in Bonaire ein ganz spezielles Ereignis mit endlosem Feuerwerk ab 23.00 bis 01.00 Uhr. Um die Show aus etwas Distanz geniessen zu können und nicht von glühenden Feuerwerkskörpern getroffen zu werden, hatte ich mich für Nachtsegeln entlang der Uferpromenade entschieden. Ein unvergessliches Erlebnis, zumal auch das Kreuzfahrtschiff AIDA La Perla etwas auf Distanz gegangen ist und mit ihren tausenden LED Lichtern im Takt zu Musik zur perfekten Mitternachtsshow beigetragen hat.

Ende Februar hiess es dann Abschied nehmen von den ABC-Inseln mit dem abenteuerlichen Ziel Kolumbien, da ich dort nicht nur segeln wollte, sondern auch ausgedehnte Ausflüge ins Landesinnere unternehmen wollte. Seglerisch war diese Etappe von rund 420 Seemeilen recht anspruchsvoll, da die Region um die Nordspitze von Kolumbien für Starkwinde aus Ost und hohen Wellen bekannt respektive berüchtigt ist. Ich war ja auch alleine 3 Tage und Nächte unterwegs nicht selten mit Windstärken über 30 Knoten und drei bis vier Meter hohen Wellen. Auch „Anita“ hat diese Strapazen mitgenommen, denn etwa 50 Meilen vor meinem Ziel Santa Marta (Kolumbien), hat meine Ruderanlage beängstigende Knackgeräusche von sich gegeben und das Steuern wurde zunehmend „schwammiger“. Der Schaden war erheblich, aber nicht bedrohlich. Zwei von vier Schrauben, welche das Ruder in Position halten, waren durch Korrosion und Belastung gebrochen und erlaubten dem Ruder ein Spiel von etwa 3 cm. Eine ungemütliche Situation, die ich nur bedingt durch provisorische Fixierungen beheben konnte. Immerhin, ich bin steuerbar, ohne fremde Hilfe in Santa Marta angekommen. Die Schadensbeurteilung hat einmal mehr ergeben, dass eine Verschraubung unterschiedlicher Metalle (Schraube V4 zu Gewindeträger Alu) unweigerlich zu Korrosion und Bruch führen muss. Meine Reparatur mit doppelt so vielen und durchgehenden Schrauben wird meine Lebenszeit sicherlich überdauern.

Santa Marta, im Nordosten Kolumbiens gelegen eignet sich ausgezeichnet als Ausgangspunkt für Reisen innerhalb Kolumbiens. Die Marina ist modern, sehr sicher und liegt direkt bei der Altstadt. Im Hinterland erheben sich die Gipfel des höchsten Küstengebirges der Welt, die Sierra Nevada Santa Marta. Die Stadt ist Ausgangspunkt für Ausflüge zum angrenzenden Tayrona Nationalpark sowie dem mehrtägigen Track durch das Urwald Naturschutzgebiet der Indigos nach Minca und weiter zur verlorenen Stadt „ciudad perdida“ auf 1‘200 Metern. Dieses Gebiet gilt heute für Touristen als sicher, obwohl es noch vor wenigen Jahren von Rauschgiftanbau und Paramilitärs beherrscht wurde. Ich habe mir in Minca durch Booking.com ein Hostel ausgesucht, welches relativ nahe (600 Meter) beim liegt. Was ich und wahrscheinlich auch Booking.com nicht realisiert hatten, waren die 600 Meter, die nicht als Distanz, sondern als Höhenuterschied zum Zentrum angegeben wurden! Da ich an diesem Tag bereits eine sechsstündige Regenwaldtour hinter mir hatte und auf keinen Fall nochmals eine zweistündige Bergtour absolvieren wollte, gab ich mich nochmals einem speziellen Abenteuer hin. In Minca gibt es „Motorrad-Taxis“, die in die abgelegenen Täler und Berge fahren. Es sind geländegängige Motocrossmaschinen, jene mit denen gejumpt und Pirouetten gedreht werden. In 15 Minuten hat mich der junge Kerl mit samt meinem Backpack den Track zum Hostel „El Paraiso de tuki“ hinaufgefahren. Die meiste Zeit hatte ich die Augen vor dem Abgrund geschlossen und meine Arme waren um seinen Körper geschlungen, wie bei einem verliebten Paar. Als er mich oben abgeladen hatte, fragte er mich, ob er mich andern Tags wieder abholen sollte! Für 1‘000 Dollar nicht, ich gehe zu Fuss den Berg hinunter, war meine Antwort. Ich habe mir dann allerdings sagen lassen, dass die Jungs ausgezeichnete Fahrer wären und es nur sehr selten zu Unfällen kommen würde. Die Lage dieses einfachen Hostels, welches immerhin ein Rating von 9.1 vorzuweisen hatte, war fantastisch. Die Abendstimmung, mit Sicht über die Berge und Täler des dampfenden Regenwaldes bis hin zum Meer nach Santa Marta bleiben mir unvergesslich.

Weiter auf dem Plan stand eine 10-tägige Reise von Santa Marta per Flug nach Medellin, einem Bustrip nach Jardin und zurück, einem Weiterflug ans Meer nach Cartagena und von dort mit dem Bus wieder zurück nach Santa Marta.

Jede Grossstadt hat ihren eigenen Reiz. Jener von Medellin besteht darin, dass die ursprüngliche Stadt, heute mit 3 Mio Einwohner in einem Tal eingebettet ist und das Wachstum nur über die seitlichen Hänge der beiden Talseiten möglich war. Der Hauptstrang der Metro verläuft im Talboden und seitlich gehen „Metro cable“ als Seilbahnen die Berghänge hoch. Eine dieser Seilbahnen fährt noch weiter zu einem Hochplateau, zum bekannten Naturschutzgebiet „Parque arvi“, wo man bei geführten Wanderungen die vielfälltige Flora und Fauna bestaunen und erleben kann.

Fünf Stunden fahrt mit dem Bus von Medellin nach Jardin und man ist wieder in einer anderen Welt. Ein kleiner, farbenprächtiger Ort mit einer übergrossen Kathedrale, umgeben von Urwald, Kaffee- und Cacaoplantagen. Viele Männer stolzieren mit Lederstiefeln, Jeans, Poncho und Sombreros wie Gauchos durch die Strassen und jedes Haus hat eine ander Form und Farbe. Auch hier unternahm ich eine organisierte Tagestour per Jeep in die Urwald Bergwelt Kolumbiens. Eine einstündige Holperfahrt durch Urwald, vorbei an steilen Abhängen mit Sicht auf grüne Seitentäler mit Kaffee- und Cacaoplantagen, und einem abenteuerlichen einstündigen Fussweg durch den Urwald, brachte uns zu einem wunderschönen Wasserfall in einer riesigen Höhle, der „cueva del Esplendor“. Ein Vorteil des Einzelreisens liegt darin, dass man öfters interessante Gespräche und Kontakte zu anderen Menschen der Reisegruppe findet. Da gibt es selten sprachliche, farbliche, religiöse oder kulturelle Barrieren. Da das Städtchen Jardin komplett ausgebucht war und ich noch einenTag länger bleiben wollte, wurde mir eine Finka weit ausserhalb Jardins vermittelt. Per Drei-Rädrigem Tuc-tuc wurde ich dahingebracht. Es erwartete mich eine wunderschöne Finka mit einer kleinen Kaffe- und Cacaoplantage und einer ganz herzlichen Familie Osario. Es bereitete mir echt Mühe, am nächsten Morgen bereits wieder Abschied nehmen zu müssen.

Ich bin ein Vagabund und so ging meine Reise per Bus zurück nach Medellin und weiter per Flugzeug nach Cartagena, die Touristenstadt am karibischen Meer. Das Erste, was ich in einer mir unbekannten Stadt jeweils unternehme, ist die City Tour „hop on – hop off“. So lernt man die Stadt im Überblick kennen und kann dann seine Prioritäten betreffen weiterer Excursionen planen. Cartagena hat eine sehr schöne Innenstadt, die zum Bummeln einlädt. Allerdings sollte man dies erst nach der Siesta tun, denn es ist sehr, sehr heiss um die Mittagszeit. Am Abend flanieren tausende von Touristen durch die Altstadt, inklusive Pferdekutschen, usw., na ja. Essen kann man aber sehr gut in gemütlichen Restaurants mit einem internationalen und lokalen Angebot. Ich hatte das bisher beste Osso Bucco mit Polenta in Cartagena!

Noch eine Busfahrt von sechs Stunden und ich war wieder zu Hause in Santa Marta auf meiner „Anita“ und brauchte Tage um meine vergangenen Erlebnisse zu verarbeiten. Ich schreibe oft meiner Tochter Anita und wiedehole mich immer wieder mit der Aussage – dass ich all dies noch erleben darf!

Ganz grundsätzlich zu Kolumbienreisen. Das Land ist für Reisende sicher. Die Menschen sind überaus freundlich und hilfsbereit. Natur und Topographie sind unbeschreiblich. Die Lebenskosten sind für uns Europäer extrem niedrig. Taxifahren kostet fast nichts. Einstündige Städteflüge erhält man für 50 Euro. Mit dem Bus kommt man für ganz wenig Geld überall hin. Man braucht einfach viel Zeit, den es geht immer über Hügel und Pässe und weitere Hügel und Pässe, usw. Ausser Spanisch wird nur in den Touristenzentren english gesprochen. Verständigen kann man sich aber immer irgendwie. Reisende aus dem Schengenraum benötigen lediglich einen gültigen Reisepass.

Meine Erlebnisse in Kolumbien waren überwältigend – nun folgt die nächste Etappe Richtung Panama, aber diese liegt noch in der Zukunft.

SY Anita(info@sy-anita.ch)Forward articlePermalinkComments 0Gravatar: SY Anita
Views: 6673
17.08.2018
19:23

Kleine Antillen 2017 / 2018

Bevor ich nun in einem Monat meine Reise Richtung ABC-Inseln und Kolumbien fortsetze, möchte ich euch einen kleinen Einblick über die vergangenen eineinhalb Jahre in den Kleinen Antillen nicht vorenthalten, einem herrlichen Segelrevier mit einer Nord-Süd Ausdehnung von rund 600 sm, beginnend im Norden mit den Virgin Island (östlich von Puerto Rico) bis Trinidad ganz im Süden nur gerade 10 Seemeilen vor der Venezuelanischen Küste entfernt. Dazwischen liegen viele kleinere und grössere Inseln mit unterschiedlichsten Staatenzugehörigkeiten. Zu den Grösseren zählen Inseln mit bekannten und wohlklingenden Namen wie St.Martin/Sint Maarten, Saint Kitts, Nevis, Antigua, Guadeloupe, Domenica, Martinique, St.Lucia, St.Vincent und die Grenadinen, Greneda, sowie Trinidad und Tobago (von Nord nach Süd).

Als ich Ende 2016 vom Atlantik kommend in der Karibik angelandet bin, haben mich Segler mit „Willkommen im Paradies“ begrüsst. Was soll ich nun nach eineinhalb Jahren Karibik dazu sagen. Es gibt kein Paradies auf Erden – Punkt Schluss. Oder kann mir jemand erklären, was die höllischen Hurricanes in einem Paradies zu suchen haben, die regelmässig die Grossen Antillen und Leeward Islands heimsuchen und Tod und Zerstörung hinterlassen mit all dem Leid für die lokale Bevölkerung? Vernünftige Segler haben es einfach, sie verlagern ihr Törngebiet während der Hurricane Zeit weiter südlich und sind vor diesen gewaltigen tropischen Stürmen, mit wenigen Ausnahmen, sicher. Oder sie lassen ihre Yacht an Land hieven und dort an speziell geschützten Orten sturmsicher festzurren, um dann die Monate Juli bis Oktober in ihrer Heimat zu verbringen.

Als Neuankömmling mit viel Respekt vor den Naturgewalten, habe ich mich deshalb im Februar 2017 direkt in den Süden nach Grenada begeben, um mir einen Hafenplatz in der modernen Marina Port Louis für die Monate Juni bis Oktober zu sichern und ebenfalls eine Werft zu finden, die einen Garantieschaden (Farbveränderung in der Gelcoat Aussenschicht) während der Hurricaneperiode fachmännisch beheben sollte.

Nach dieser Erkundungstour hatte ich also vier Monate Zeit, die Kleinen Antillen von Süden nach Norden zu entdecken.

Es ist ein herrliches Segelrevier und dabei kann man dann wirklich von paradiesischen Verhältnissen reden. Man stelle sich vor, jahrein, jahraus etwa 30 Grad Tagestemperatur und 24 Grad Nachttemperatur, Wassertemperatur etwa 27 Grad und nahezu immer ein angenehmer Passatwind zwischen 15 und 25 Knoten – genial. Hinzu kommt, dass aus der lockeren Passatbewölkung mehr oder weniger täglich ein kurzer aber heftiger Regenguss das Deck von Salzwasser befreit. Korrosion an Stahl- und Edelstahlteilen ist deshalb im Überwasserbereich verglichen mit dem Mittelmeer hier eigentlich kein Thema.

Ein besonderes Merkmal dieses Segelreviers bringt der ständig von Ost-Nordost bis Ost-Südost wehende Passat oder Tradewind. Dies bedeutet, dass man während der Segelsaison Ankerbuchten (davon gibt es tausende) auf der Westseite der Inseln geschützt und sicher in vier bis fünf Meter Wassertiefe vor weissen Sandstränden als Ankerplatz zum Schnorcheln oder zum Übernachten anlaufen kann. Man liegt eigentlich immer vor Anker und sucht nur ganz selten eine der wenigen Marinas für den Grosseinkauf, Reparaturen oder Gästewechsel auf. Das Wasser in den Buchten ist im Allgemeinen sehr klar. Ausnahmen bilden vereinzelte starke Regenfälle, welche dann die Bäche aus den tropischen Wäldern mit Erdreich und Pflanzen anreichern und ins Meer tragen. Die Unterwasserwelt ist verglichen mit dem Mittelmeer ebenfalls paradiesisch. Die kleineren und grösseren Riffe die überall anzutreffen sind, beherrbergen eine riesige Vielfalt von Pflanzen und Tieren, die man als Europäer nur in Aquarien zu sehen bekommt. Schnorcheln oder auch Tauchen (mit Brevet) gehören hier zum Alltag. In den meisten Buchten mit Sand und Seegras finden sich stattliche Schildkröten (ein Meter Panzerdurchmesser), die sich nicht sonderlich von Schnorchlern beeindrucken lassen. So kann man diese an Land schwerfälligen, im Wasser hingegen schwebenden, behenden Tiere beim Grasen, Auf- und Abtauchen aus nächster Nähe beobachten, fotografieren und filmen – mit wasserdichten Kameras versteht sich. Die Unterwasser Pflanzenwelt ist unglaublich vielfältig in Farben, Formen und Grössen. Die Fischwelt präsentiert sich ebenso abwechslungsreich mit den kleinen Zierfischen, die wir aus den Salzwasseraquarien kennen, bis hin zu den grösseren Barrakudas, Riff Haien (eher selten) und den eindrucksvollen Stachelrochen. Für den Schnorchler, der den gebührenden Sicherheitsabstand wahrt, besteht absolut keine Gefahr. Was mich immer wieder erstaunt hat, ist die evolutionäre farbliche Anpassung der Fische an ihre gewohnte Umgebung.

Als ich von Grenada Richtung Norden unterwegs war, hat sich die Aussenschicht meines Vorsegels, von den Strapazen der Atlantik Überquerung gezeichnet, mehr und mehr abgelöst. In Martinique (Le Marin) gibt es ein grosses Angebot an Nautikspezialisten und Shops, sowie auch Segelmachern und Rigger. Hier konnte ich dann ein neues Vorsegel bei Northsails ausmessen lassen und bestellen. Mein Schiff war original mit Elvström Hi-Tech Segeln ausgerüstet. Seglerisch absolut top mit klaren Geschwindigkeitsvorteilen zu Standardsegeln, mit dem Nachteil allerdings, dass die Lebenserwartung gegenüber Blauwasser Segel etwa bei der Hälfte liegt, also vier bis fünf Jahre im Dauergebrauch. Ich hoffe, meine Investition in ein robustes Langzeitsegel bewährt sich. Meine „Anita“ ist auch mit dieser neuen Besegelung sehr schnell.

Was das Segeln in den Antillen anbelangt ist einiges zu berücksichtigen. Obwohl, wie bereits erwähnt, bietet der stetig wehende Passatwind aus östlichen Richtungen mindestens in den Leeward Islands (Nördliche Inseln) herrliche Raumwindkurse. Mit 20 Knoten Wind fahre ich meistens ein Reff im Grosssegel. In der Abdeckung der Inseln (Leeseite) ist der Wind oft böig und schwächer als auf deren Ostseite (Luvseite). Trotzdem segeln 90 Prozent auf der Westseite der Inseln. Dies hat folgenden Grund. Die Antillen liegen eigentlich mitten im Atlantik und damit sind sie auf ihrer Ostseite den Atlantikwellen ausgesetzt, die aufgrund abnehmender Wassertiefe ihre Länge verlieren und damit recht steil und hoch auf das Land und die östlich segelnden Yachten treffen – eher ungemütlich. Auch gibt es auf der Luvseite der Inseln mit ganz wenigen Ausnahmen keine geschützten Ankerplätze. Wenn man also von einer Insel zur nächsten segelt, trifft man immer auf die Atlantikwelle, was manch ein Cremitglied oder Gast zum „kotzen“ findet. Eine weitere nicht zu unterschätzende Gefahr sind die je nach Wetterlage auftretenden Gewitterzellen (Squalls). Wenn man so einer Gewitterzelle begegnet (ausweichen kann man nicht) und nicht rechtzeitig grosszügig refft, kann man seine blauen Wunder erleben. Die Böenwalzen bringen locker 30-50 Knoten Wind an die Segel und die Sicht verringert sich bei einsetzendem Regen und Gischt auf null. Gerefft ist die Situation für Schiff und Crew absolut ungefährlich, vor allem weil sich das ganze Unwettergebilde nach 10-15 Minuten verzieht und die Welt  wieder in Ordnung ist, als wäre nichts geschehen. Viele Charterschiffe beachten diese Gefahr zu wenig und laufen bei Vollbesegelng in solche Gewitterzellen und bekommen (Skipper und Crew) den Schreck ihres Lebens ab. Oft mit entsprechenden Schäden an Rigg, Segel und Psyche.

Wie eingangs erwähnt, sind die Inseln der Kleinen Antillen autonome Staaten oder Überseeterritorien europäischer Staaten. Die Kulturen, vor allem im Bereich Essen und Trinken mögen sich stark unterscheiden. So sind die französischen Inseln wahre Gourmetoasen, was Speisekarte, aber auch Lebensmittel- und Getränkebeschaffung anbelangt. Eines aber haben alle Inseln gemeinsam. Die Menschen lieben Musik, Rythmus, Rum und sind freundlich, offen und stehts hilfsbereit. Dabei leben sie oft in sehr einfachen Verhältnissen und auch die Arbeitslosigkeit ist je nach Insel relativ gross. Klar, dass viele jüngere Leute versuchen die Bordkasse der Fahrtensegler mit kleineren oder grösseren Dienstleistungen zu belasten wie Hilfe an der Festmacherboje, Kehricht entsorgen, Belieferung mit frischem Brot, Früchte und Gemüse und oft auch mit handgefertigten Souvenirs und guten Tipps. Leider gibt es auch in diesem Business einzelne aufdringliche und preistreibende schwarze Schafe. Die echte Kriminalität gegenüber Fahrtenseglern beschränkt sich aber mit ganz wenigen Ausnahmen auf ein absolutes Minimum. Logisch, dass man sein teures Dhingi mit Aussenborder über Nacht an die Kette legt oder an das David hängt – wir schliessen ja unsere Fahrräder und Mofas zu Hause auch ab.

Die grosse Anzahl von Kleinstaaten und Überseeterritorien bedeutet für den Segler Grenzen überschreiten. Die europäischen Überseeinseln von England, Frankreich und Holland gehören nicht zum Schengenraum. Inselhüpfen heisst also auch ausklarieren, einklarieren, ausklarieren, usw. Dies tönt einfach, ist es aber nicht immer. Immerhin sind es drei Instanzen, Zoll, Immigration und Portofficer, die jeweils Dokumente und ausgefüllte Formulare prüfen und stempeln wollen. Und ist nur eine Instanz zum Kaffee, heisst es warten. Ein unverschlossenes Büro bedeutet auch nicht, dass ein Beamter drin ist – wiederum warten. Oft ist es zeitlich sinnvoller eine halbe Stunde zum Flugplatz zu gehen und dort die Sache unkomplizierter erledigen zu lassen. Kosten entstehen die selben.

Eines der schönsten Segelreviere in den kleinen Antillen sind sicherlich die British Virgin Islands ganz im Norden. Durch die Anordnung der vielen kleineren und grösseren Inseln ergibt sich ein von den Atlantikwellen geschütztes Törngebiet. Die Distanzen von Bucht zu Bucht sind gering und die Navigation ist entsprechend einfach. Allerdings, und dies gilt für sämtliche Inseln der Antillen, ist den vorgelagerten Riffs in unmittelbarer Landnähe grosse Beachtung zu schenken. Die heutigen elektronischen Navigationskarten bieten mit ihrer Genaugkeit zwar eine sehr gute Hilfe für den Steuermann, totzdem gilt es, mit grosser Wachsamkeit Buchten und Ankerplätze anzulaufen. Dies wird dem Segler immer wieder vor Augen geführt und bewusst, wenn er die unzähligen aufgelaufenen Wracks von Segelschiffen entlang der Küsten zu sehen bekommt.

Einen ganzen Monat habe ich diese wunderschöne Inselwelt der British Virgin Islands genossen, segelnd, tauchend aber auch wandernd. Dies ist natürlich auch die Zeit der Kreuzfahrtschiffe, welche die Inselwelt unter Motor oder segelnd befahren und abertausende von Tagestouristen und Souvenirjäger den Einheimischen ein Einkommen ermöglichen. Nur vier Monate später hat der Hurricane „Irma“ alles zerstört. Es wird Jahre dauern, bis sich die Natur und die Zivilisation von dieser Naturkatastrophe gänzlich erholt haben wird – und dabei immer wieder die Bedenken vor neuer Zerstörung!

Auf meiner Rückreise Richtung Süden hatte ich nebst St.Martin und St. Barth die für den Yachtsport bekannte Insel Antigua als weitere Station angelaufen. Während meines Aufenthaltes fand in Antigua zufälligerweise die bekannte „Antigua Sailing Week“ mit beeindruckenden Megayachten und Racern statt. Entsprechend feucht fröhlich und mit beschwingten karibischen Rythmen mit bekannten Steelbands ging es dann jeweils am Abend und in der Nacht zu und her. Ich muss eingestehen, dass ich in den vergangenen Jahren die Lebensweise der Hi Society gar nicht so sehr vermisst habe.

Ab Mai zeigte mein Kompasskurs dann mehrheitlich nach Süden. Ich wollte rechtzeitig vor der Hurricane Saison in Grenada eintreffen. Immerhin war es mein erstes Jahr in einer Hurricane Region. Unterwegs hatte ich weniger Delphine beobachten können als im Mittelmeer. Es gibt natürlich welche, wie das Bild zeigt. Entweder waren es Zwillinge oder ein Liebespaar. Ein sicherlich einmaliges Erlebnis war für mich, einen springenden Wal beobachten zu können und bildlich festzuhalten.

Für den Langzeitsegler ist Fischen eine natürliche und beliebte Art der Nahrungsbeschaffung. Nicht so in den kleinen Antillen. Seit einigen Jahren nimmt die Entstehung von Sargassogras (Braunalge) dermassen zu, dass Schleppangeln auf hoher See schlicht unmöglich wird. Kaum sind Leine und Haken im Wasser, ist auch schon was daran – Sargassogras. Oft entstehen im Atlantik riesige Algenteppiche, welche die Strömung Richtung Inseln treibt. Kann man wegen der grossen Ausdehnung einem solchen Algenteppich nicht ausweichen, driftet man durch die Algen gebremst im Schritttempo, trotz Vollsegel und Wind in Schräglage dahin. Die Wellen werden durch den dichten Teppich völlig abgedämpft. Vom Schiff aus sieht das dann so aus, als würde man durch Nachbars Garten segeln (s.Bild). Ein weiterer grosser Nachteil dieses sich jährlich verstärkenden Klima Phänomens (ich nenne es Trumpeffekt) bekommen jene Yachteigner zu spüren, welche einen Hydrogenerator für die Stromerzeugung einsetzen. Ich gehöre auch dazu. Es ist ein einfaches Gerät mit Propeller und Stromgenerator, welches am Heck des Schiffes zu Wasser gelassen wird und mittels Propellerdrehung Strom erzeugt. Auch hier verfangen sich die Algen sofort und das Gerät wird zwecklos.

Pünktlich auf Vertragsbeginn bin ich dann im Juni 2017 in der Port Louis Marina in Grenada eingetroffen um mich als Tropenneuling auf die Hurricane Saison vorzubereiten. Die Erfahrung hat dann zwar gezeigt, dass hier weit im Süden gar nichts passiert. Trotz starker Hurricane Tätigkeit im Norden herrschten während der folgenden sechs Monate wunderbare Segelbedingungen. Einzig die Regenhäufigkeit hat zugenommen und damit auch die Luftfeuchtigkeit. Diese erhöhte Luftfeuchtigkeit ist für viele Yachties, die ihr Schiff in der Karibik lassen und für Monate nach Europa reisen ein ernsthaftes Problem. Ohne wöchentliches Lüften besteht Gefahr für Schimmel- und Pilzbefall in Schränken, Schubladen und unter Matratzen. Es ist fast zwingend, für längere Abwesenheiten einen Lokal Guy für das „Boatwatching“ zu engagieren. Ich habe glücklicherweise eine Klimaanlage an Bord und kann im Hafen die Luftfeuchtigkeit dadurch gering halten und dazu noch angenehm gekühlt schlafen, denn bei steigender Luftfeuchtigkeit werden hohe Temperaturen zunehmend unangenehm und sprichwörtlich schweisstreibend.

Die Port Louis Marina (eine 6* Camper Nicholson Marina) bietet jeden Komfort inkl. Restaurants, Pool, Wäscherei, Zoll und Immigration, klimatisierte Duschen und Toiletten, usw. Vor allem die Lage unmittelbar an die Haupstadt St.Georg’s angrenzend ist ideal. In der Marina liegt man ruhig und entspannt und ist trotzdem in fünf Minuten mit dem ÖV in der Hauptstadt. Im Gegensatz zu den französischen Inseln, die eigentlich gar keinen ÖV bieten ausser Schulbusse, glänzen die karibischen Staaten mit einem genialen ÖV System. Im Zentrum der jeweiligen Hauptstadt ist der Busbahnhof, das kann auch nur ein Perron sein. Von diesem zentralen Ort aus fahren Kleinbusse (15-Plätzer) in alle Himmelsrichtungen, lediglich bezeichnet mit einer Strecken Nummer oder dem entsprechenden Fernziel. Es gibt keinen Fahrplan und in den meisten Fällen auch keine Haltestellen. Die Busse fahren je nach Tageszeit mehr oder weniger frequentiert. Mehr als fünf Minuten wartet man aber nie. Oft fahren sogar zwei oder drei Busse hintereinander her. Das Geniale ist jedoch, man steht irgendwo am Strassenrand, winkt und der Bus hält. Wenn man aussteigen möchte, klopft man an die Fensterscheibe, und der Bus hält. Dies für unsere Verhältnisse zu einem Spottpreis. Eine halbe Stunde Bus fahren kostet umgerechnet etwa 85 Rappen. Im Bus trifft man über Kleinkinder und Schüler bis zum Greis alle Bevölkerungsschichten. Und sämtliche Köpfe wippen zum Rythmus der viel zu lauten Reggae Musik – herrlich. Dabei ist mir immer wieder aufgefallen, wie gepflegt und gut gekleidet die Menschen daher kommen. Die Frisuren der Frauen sind oft Kunstwerke, gestrickt, geknüpft, gespränkelt, geperlt und was auch immer. Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass die Menschen hier, obwohl sie ein einfacheres und bescheideneres Leben führen als wir, viel zufriedener und glücklicher sind. 

Bedingt durch die Hurricane Pause, hatte ich genügend Zeit die tropische Insel Grenada mit Bus und Wanderschuhen zu erkunden. Lediglich 12 Grad nördlich des Äquators gelegen, ist die Insel tropisch immergrün und es ist abseits der Wege absolut kein Durchkommen. Die Natur nimmt sich jeden Zentimeter, der nicht von Menschenhand freigehalten wird. Dies betrifft Telefonstangen, welche durch Ranken nicht mehr sichtbar sind, abgestellte Fahrzeuge oder Schiffe, und natürlich auch Bauruinen und Wohnhäuser, deren Gärten und Umschwung nicht laufend gepflegt werden. Durch die Farbenpracht der exotischen Bäume und Farne mit oft bis zu zwei Meter durchmessenden Blättern und überdimensionierten Blumen und Blüten, kommt man nicht aus dem Staunen heraus. Am Strassenrand blühen die Orchideen wie bei uns das Unkraut. Auch der typische feuchte Urwaldduft nach Modrigkeit, Planzen und Blüten begleitet einem stets auf den Wanderungen. Die vom Urwald bedeckte hügelige Landschaft gibt auf Wanderwegen immer wieder den Blick auf kleine und grössere Wasserfälle und Kraterseen frei. Da sehr viele Segler die Sturmzeit in Grenada verbringen, ist auch immer irgendwo, irgendetwas los. Die wöchentlichen Treffs der Segler aus aller Welt in einfachen lokalen Restaurants mit Barbecue und Musik sind legendär. Oft sind die Musiker selbst Segler und veranstalten regelrechte Jam Sessions. Es wird aber auch hochstehende, professionelle Musik angeboten. So findet beispielsweise in einem von einem bekannten Schweizer Ehepaar geführten Marina/Hotelressort „Le Phare Bleu“ auf dessen Lightship ein wöchentliches bühnenreifes Konzert statt. Der Hotelbesitzer ist gleichzeitig Bandleader und sitzt am E-Piano. Jährlich im Oktober ist die Band mit ihrer super Sängerin einen Monat auf Europatournee.

Gegen Ende Juli war es dann wieder soweit für den jährlichen unverzichtbaren Besuch meiner Kinder und Enkelkinder und all den Freunden und Bekannten in der Schweiz. Da ich mit meiner Tochter Anita und den Enkelkindern wöchentlich oft mehrmals in Kontakt stehe, ist vom „Fremden“ bei der Ankunft am Flughafen in Zürich-Kloten bei den Beiden keine Rede. Nina und Dario stürmen jeweils geradezu auf mich los. Meine Tochter ist eh ein Schatz, da sie während meiner 11-monatigen Abwesenheit über meinen Briefkasten wacht und die meisten Abwesenheitsprobleme gerade selbst an die Hand nimmt. Mein Schweizaufenthalt war wiederum kurz, aber heftig. All die Einladungen zu fürstlichen Mahlzeiten, das institualisierte Kulturreisli mit Crewmitgliedern, das Kunkels Maiensäss Wochenende, der mehrstündige Liechtensteiner Lunch, usw. bleiben mir jeweils lange in Erinnerung. Einen speziellen Dank gebührt auch meiner Gastfamilie Markus und Jill in Haldenstein, bei denen ich während meines Schweizaufenthaltes ihre kleine Zweitwohnung einfach so für mich nutzen kann. Markus spielt auch gerne kostenloser Taxichauffeur – vielen Dank. So verging die Zeit in der Schweiz schnell und sehr kurzweilig. Der Abschied von meiner Tochter und den beiden Enkelkinder ist jedesmal sehr emotional und schrecklich. Mein Gepäck war immer bis zum Limit mit zusätzlichen Ersatzteilen und Zubehör gefüllt. Dieses Jahr hatte ich sogar ein zusätzliches Gepäckstück. Anita und mein Sohn Andrea haben mir eine nicht ganz kleine Tiefkühlbox geschenkt, die nun ebenfalls mit auf die Reise ging. Die Gäste auf „Anita“ und insbesondere ich haben inzwischen den Gin Tonic oder Cola Rum mit Eis beim Sonnenuntergang schätzen gelernt. Aber auch Fisch, Fleisch, Brot, vorbereitete Mahlzeiten, usw. finden sich für Langfahrten in der neuen Gefrierbox – eine weitere Steigerung der Lebensqualität auf meinem Schiff.

Eine eher unrühmliche Geschichte, deren Inhalt ich nur ganz wenig Platz einräumen möchte (einmal ärgern genügt schliesslich), war die Lackierung des seitlichen Bootrumpfes auf Werkgarantie, als ich wieder zurück in Grenada war. Insgesamt 7 Wochen bin ich in der Marina Clarkes Court mit meinem Schiff auf dem Trockenen gestanden und die Arbeit der Firma CBS war alles andere als befriedigend. Dies veranlasste mich dann auch gegenüber meiner Werft in Deutschland einen Garantievorbehalt zu hinterlegen. Zur Sache nur soviel: ich hatte vorher schon einige graue Haare, jetzt habe ich nur noch graue Haare, inklusive drei Tagesbart.

Durch die zeitliche Verzögerung auf dem Boatyard musste ich mich im Anschluss sehr beeilen, Mitte Dezember noch rechtzeitig meine ersten Gäste aus der Schweiz in Martinique in Empfang nehmen zu können. Das gemeinsame Weihnachtsessen im berühmten Restaurant „Dolittle“ in der Marigot Bay, St. Lucia hat meine unschönen Erinnerungen vom Bootsyard dann aber schnell verdrängt. In der Zeit von Mitte Dezember 2017 bis Mitte Mai 2018 hatte ich insgesamt 8 Törns mit Bekannten, Verwandten und Freunden in dieser Region (Martinique bis Grenada) absolviert. Sonnenuntergänge wurden dabei mit Abstand am Häufigsten fotografiert. Wegen der grossen Hurricane Schäden war eine Ausdehnung des Törngebietes nach Norden leider nicht möglich, obwohl dies so geplant war. Zwei Crews mussten deshalb ihre Flugdestination von St. Martin nach Martinique umbuchen. Meine zunehmenden Revierkenntnisse machten mich dann auch mal zum lokalen Reiseleiter. Ich kannte bald die empfehlenswerten Ausflugsziele an Land und die entsprechenden Aussichtspunkte und Restaurants auf den verschiedenen Inseln. Statt mit lokalen Reiseanbietern relativ teure Touren zu machen, konnte ich per Leihwagen den Gästen individuelle Highlights vor Augen führen. Ich musste jeweils einfach aufpassen, auf welcher Insel ich nun mit Links- oder Rechtsverkehr unterwegs zu sein hatte. Mit einer Ausnahme waren die Gästetörns auch für mich wiederum sehr erholsam und abwechslungsreich. Zu dieser Ausnahme auch nur eine kurze Bemerkung. Auf einem kleinen Schiff mit kleiner Pantry und gemischter Crew eignet sich eine militante vegane Gesundheitsernährung nicht. Man müsste zwei Kühlrschranke, zwei Kochherde und viel mehr Stauraum zur Verfügung haben um all die zusätzlichen veganen Produkte zu kühlen, zu stauen und zuzubereiten. Vegetarier sind diesbezüglich absolut unproblematisch. Sie essen anstelle von Fleisch einfach ein bisschen mehr Beilagen, Gemüse und Salat und statt Rindsbouillion benutzt man halt Gemüsebouillion – so tolerant sind die Nichtvegetarier.

Technisch ist mein Schiff immer noch absolut top und fit. Allerdings gehen auch an „Anita“ sechs Jahre Hochsee mit rund 20‘000 zurückgelegten Seemeilen nicht ohne Abnutzungserscheinungen vorüber. So musste ich dieses Jahr auch das Grossegel ersetzen und bereits zum zweiten Mal die Bordbatterien austauschen. Auch die elektrische Ankerwinde hatte eines Tages mit einem Getriebeschaden ihren Betrieb eingestellt. Zwei oder drei Tage ohne diese Winsch, allein mit Muskelkraft den Anker zu lichten, lehrt einen dieses Zubehör echt wieder zu schätzen. Crewmitglieder die dabei waren können dies bestätigen. Im Allgemeinen ist es schon toll, wenn Gäste ihre speziellen beruflichen Kenntnisse am Boot einsetzen. Dabei danke ich allen Computer-, Mechanik- und handwerklichen Spezialisten die mich unterstützt haben.

Nun bin ich also wieder im südlichen Grenada um die zweite Hurricane Saison zu verbringen. Durch die erlangte Karibik Erfahrung bin ich allerdings einen Monat später Richtung Süden gesegelt und werde auch mehr als einen Monat früher weitersegeln als im Vorjahr. Auch bin ich dieses Jahr nicht in der Marina, sondern ankere in verschiedenen Buchten im Süden Grenadas. Dies ist abwechslungsreich und ergibt immer wieder neue interessante Kontakte und Freundschaften. Wichtig ist dabei allerdings, dass man sich laufend mit der Wetterentwicklung und den entsprechenden Vorhersagen beschäftigt. Dazu bietet das National Hurricane Center in Florida (NOAA) eine absolut unverzichtbare Hilfe. Entstehende Hurricanes im Westen von Südafrika werden bereits 5 Tage vor Eintreffen in der Karibik detailliert beschrieben und bebildert. Die Informationen werden täglich mehrmals aktualisiert. Auch meine Tochter Anita beschäftigt sich während der Sturmzeit mit diesem aufschlussreichen App (NOAA) zur Beruhigung oder zum Mitfiebern. Meine Hauptbeschäftigungen der kommenden zwei Monate hier in Grenada beschränken sich auf Segeln, das Leben geniessen und meine Spanischkenntnisse vertieft aufzubessern, denn ich segle die nächsten zwei Jahre in spanisch sprechenden Hoheitsgewässern, wie Kolumbien, Panama, Kuba und der Dominikanischen Republik.

SY Anita(info@sy-anita.ch)Forward articlePermalinkComments 0Gravatar: SY Anita
Views: 4195
06.03.2017
13:45

Atlantiküberquerung 2016

Nun bin ich also im Paradies – auf Erden versteht sich. Ich sitze unter Palmen am weissen Strand von Bequia in der südlichen Karibik und geniesse einen Rum Punch (nicht heiss, sondern mit Eis). Dabei erinnere ich mich ein gutes halbes Jahr und etwa 7'000 Kilometer in nordöstlicher Richtung zurück und bin genau dort, wo mein letzter Logbucheintrag geendet hat – in Palma de Mallorca, Balearen.

Nachdem ich also Mitte Juli aus meinem Kurzaufenthalt aus der Schweiz nach Palma de Mallorca zurückgekehrt war, begann bereits mein Atlantikabenteuer, indem Schiff und Technik für die grosse Fahrt vorbereitet wurden. Mehrheitlich durch Experten wurden Segel und Rigg, die Gasversorgung sowie Rettungsmittel und Rettungsinsel auf Funktionalität überprüft. Der Volvo Penta Motor erhielt seinen 2'000/h Service. Von meinem Zubehörausrüster Shipshop in Duisburg sind rechtzeitig die bestellten 35 Gastlandflaggen aller Karibikinseln, mehrere Revierführer, elektronische und gedruckte Seekarten für die Region Atlantik und Karibik eingetroffen. Blieb noch der Einbau des neuen AIS Transponders, welcher erlaubt sämtliche Berufsschiffe auf meinem Kartenplotter zu sehen und was noch wichtiger ist, von diesen Schiffen auch auf ihren elektronischen Geräten gesehen zu werden. Dazu gibt es auch Apps, die erlauben meinen Standort sowie Track in Küstennähe via Internet zu verfolgen (die Links dazu finden sich auf der ersten Seite meiner Homepage).


Ende Juli war dann der Zeitpunkt gekommen, endgültig von den Balearen Abschied zu nehmen Richtung Westen…Westen… Westen. Ich hatte 14 Tage Zeit um nach Malaga (Andalusien) zu gelangen, um ein befreundetes Ehepaar aus München an Bord zu nehmen, welches mich für die Etappe zu den Kanarischen Inseln begleiten würde. Mehr als genügend Zeit also für diese 400 Seemeilen. Trotzdem ist unter Segel immer genügend Reservezeit einzuplanen, Windrichtung- und Stärke, Seegang aber auch technische Probleme können geplante Reisezeiten massiv beeinflussen. So war ich drei Tage im Hafen von Carrucha blockiert um meinen Windgenerator zu reparieren. Ich hatte in Palma de Mallorca dieses Gerät in Garantie ersetzen lassen (Korrosionsschäden), wobei dabei scheinbar ein elektrisches Zuführungskabel verletzt worden war - Fazit, der Windgenerator produzierte keinen Strom mehr. Allein die Fehlerdiagnose hatte unter freundlicher Skype Mithilfe der Lieferfirma einen Tag in Anspruch genommen. Schier unlösbar schien mir dann, ohne fremde Hilfe den schweren Windgenerator aus seinem ‘Hochsitz’ auf dem Geräteträger zu demontieren und wieder zu montieren. In solchen Situationen wird man gezwungenermassen einfallsreich. Mit Hilfe des Spinnackerbaumes fertigte ich einen Kranausleger an, mit dessen Hilfe ich den Windgenerator über eine Seilwinde anheben und absenken konnte (s. Bild). Das Verlegen des neuen Elektrokabels war dann nochmals eine Halbtagesarbeit mit viel Kratz- und Schürfspuren an meinem ganzen Körper. Nichts, aber auch gar nichts ist so schlecht zugänglich wie ein verbauter Bootskörper! Die Weiterfahrt war dann um so genüsslicher, bei besten Wind- und Wetterverhältnissen, verbunden mit herrlichen Buchten Stopps entlang der Andalusischen Küste, erreichte ich rechtzeitig mein Etappenziel Malaga. 

Schön, wieder einmal Gäste an Bord zu haben. Die ganze Mittelmeer Durchquerung von der Südtürkei, über Griechenland, Sizilien, Sardinien, Balearen bis nach Malaga hatte ich ja ‘einhand’ zurückgelegt. Die Etappe über Gibraltar zu den Kanaren betrug ungefähr 700 Seemeilen, womit es einiges an Lebensmittel einzukaufen gab. Lediglich Diesel und alkoholische Getränke planten wir im taxfreien Gibaltar zu übernehmen. Wer die Strasse von Gibraltar durchquert, sollte wenn möglich einen Zwischenstopp auf der geschichtsträchtigen englischen Halbinsel Gibraltar einplanen. «Very British» geht es da zu und her und man wähnt sich kulturell und architektonisch in einer typischen englischen Kleinstadt. Das Ein- und Ausklarieren war absolut stressfrei und wurde im Hafenbüro der Marina erledigt.

Die Strasse von Gibraltar zu durchsegeln braucht eine gewisse Vorbereitung und Planung. Klar, die Windverhältnisse sind grundsätzlich massgebend ob man segeln kann oder Motoren muss. Dazu kommen aber die etwas komplizierten Strömungsverhältnisse, durch welche man bei richtiger Interpretation und entsprechender Abfahrtszeit die 30 Seemeilen der Meerenge in vier Stunden statt in acht Stunden bewältigen kann. Gratulation Gert, wir haben richtig gerechnet. Zudem konnten wir ein Wetterphänomen einer ganz kurzfristigen stockdichten Nebelbank eindrücklich erleben, mitten im Sommer bei schönstem Wetter. Die Windverhältnisse Richtung Kanarische Inseln waren ideal. Mit Ausnahme, dass wir uns zu Beginn etwas zu nahe der marokkanische Küste genähert hatten und von der Marine freundlich aber bestimmt weggewiesen wurden, verlief die Reise absolut genussvoll und fast ausschliesslich unter Segel. Ausser meinem stündlich, fünfminütigen «Brückengang» hatten wir dank AIS und Radar nachts mehrheitlich durchgeschlafen – herrlich. Die Atlantikwelle war zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist einfach so. Nichts hält – alles fällt! Der gedeckte Frühstückstisch im Cockpit wurde zur beweglichen Masse und selbst sechs Hände konnten einfach nicht alles unter Kontrolle halten. Und so machte Mühe wieder einmal erfinderisch. Nach ein paar Skizzen und Entwürfen übernahm der geniale Bastler Gert die Aufgabe zu Hause ein geeignetes, einfaches Tablett zu konstruieren, welches dem Chaos auf dem Cockpittisch Einhalt gebieten sollte. Um es gleich vorweg zu nehmen, war dieses geniale Tablett bereits auf der Atlantiküberquerung Teil des ‘Anita-Inventars’ (s. Bild).

Das Segelrevier Kanarische Inseln unterscheidet sich massgeblich vom Mittelmeer. Das Windsystem unterliegt bereits den Passat Gegebenheiten (mehrheitlich NE Winde von 15-30 Knoten). Der Tidenhub kann bis zu drei Metern betragen und die Welle ist bei Starkwinden zwar hoch (bis 4 Meter) dafür aber langgestreckt. Die Wasser Temperaturen liegen um 20 bis 23 Grad. Nebst Atlantikfischen wie Marlin und Goldmakrele sind auch grössere Delphingruppen und Grindwale zu beobachten. Die vulkanischen Inseln verlaufen auf einer Länge von rund 500 Kilometer von Nordost nach Südwest und unterscheiden sich klimatisch, topografisch und in Bezug auf Fauna und Flora ganz erheblich. Obwohl die vulkanischen Inseln bereits vor Jahrmillionen entstanden sind, gibt es immer noch Vulkanaktivitäten. So erlebte Lanzarote im 18. Jahrhundert nochmals einen gewaltigen Vulkanausbruch, welcher die Insel auch heute noch eindrucksvoll prägt, als wäre die Katastrophe erst unlängst geschehen. Die Insel Fuerteventura wiederum weist langgezogene hohe weisse Dünen auf, welche durch windbedingte Sahara Sandverfrachtungen entstanden sind. Je südlicher man sich befindet, desto bewachsener und subtropischer werden die Inseln. «Grössenwahnsinnig» ist die Vulkanspitze des Teide auf der Insel Teneriffa. Mit 3'718 Metern Höhe ist er gleichzeitig der höchste Berg Spaniens und wenn man bedenkt, dass in unmittelbarem Distanz das Meer auf 4'000 Meter absinkt, ist dies schon sehr eindrücklich. 

Während meines dreimonatigen Aufenthaltes in dieser Inselwelt hatte ich mehrere Törns mit Freunden aus der Schweiz gemacht und immer hatten wir auch Landausflüge mit Mietautos unternommen um Menschen, Geschichte und Kultur besser kennenzulernen. Mich persönlich hatte die Insel La Gomera am meisten beindruckt. Durch die aufsteigenden Nebel der Passatwinde, ist die nordwestliche Inselhälfte subtropisch fruchtbar mit ausgedehnten Lorbeer Regenwäldern und Riesenfarnen. Die vom Wind abgewandte Seite ist karg und zeigt die Gesteins- und Sedimentschichten von Jahrmillionen. Wir hatten ausgedehnte Wanderungen unternommen und ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viele Fotoaufnahmen gemacht, denn es war überwältigend. 

Mitte November hatte ich mich bis zu den Startvorbereitungen der Atlantiküberquerung in der Marina Las Palmas de Gran Canaria niedergelassen. Ein Wasserverlust bei laufendem Motor machte den Ersatz der Wasserpumpe notwendig und das Vor- und Hauptsegel bedurften einiger Reparaturen und Verstärkungen. Immerhin waren auf den kommenden 3'000 Meilen keine Reparaturen möglich. Der Einkauf an Lebensmittel und Getränke für die Atlantik Crew (3 Personen) füllte einen ganzen Mietwagen. Ich war in grosser Sorge, wie dies alles in den Bauch von ‘Anita’ reinpassen sollte. Für Früchte und Gemüse hatte ich im Salon und unter dem Geräteträger im Cockpit Netze gespannt. Haluk, ein bayrisches Crewmitglied aus München war besorgt, ob denn genügend Bier an Bord sei. Doch obwohl wir unterwegs nicht gespart hatten, konnten wir in der Karibik immer noch unser geliebtes «San Miguel» geniessen. 

Kurz vor Start zur grossen Fahrt gab es für mich noch eine besondere Überraschung. Da ich ja über den Jahreswechsel nicht in der Schweiz weilen würde, hatte mich meine Tochter Anita mit der 5-jährigen Enkelin Nina in Las Palmas besucht (ihr kleiner Bruder Dario war mit zweieinhalb Jahren noch zu klein für diese Reise und durfte zum "Neni" in die Ferien. Es waren für uns Alle vier unvergessliche Tage. Nina, das erste Mal Fliegen, auf Grosspapis Boot schlafen, im Dezember im Meer baden, im Aqua Park einen Delfin streicheln, usw. Der Abschied am Flughafen war uns dann auch nicht leicht gefallen. 

Erster Dezember – Leinen los. Obwohl die Windvorhersagen für die ersten vier Tage nicht dem Passatmuster entsprachen, wollten wir ablegen – wir hatten drei Wochen Atlantik vor uns und wir wollten einfach nicht warten. Die klassische Passatroute in die Karibik ist eigentlich klar; ab Gran Canaria rund 700 Seemeilen in südwestlicher Richtung. Dann etwa 100 Seemeilen nördlich der Kapverdischen Inseln Richtung West. Insgesamt etwa 2'800 Seemeilen. Unser Kurs führte uns die ersten drei Tage windbedingt unter Kreuz Richtung Süden, etwa 60 Seemeilen der afrikanischen Küste entlang bis sich endlich der Passat einstellte. Dann ging es aber flott voran. Zuerst mit 15-20 Knoten (wir konnten zwei volle Tage und Nächte den Spinnacker fahren), später mit 20-30 Knoten gerefft. Wenn anfänglich nur vier Knoten Speed auf der Logge waren, so steigerte sich dies bald einmal auf 7, 8 und 9 Knoten. Unsere Spitzengeschwindigkeit war kurzfristig (zum Glück) 14.5 Knoten! Grundsätzlich sind drei Komponenten massgebend für eine sorgenfreie Atlantiküberquerung. Klima (Wetter, Wind und Welle), Rigg und Technik und schlussendlich die menschliche Komponente. 

Wetter: Der Passatwind ist zwischen Dezember und April ziemlich stabil. Obwohl es immer wieder mal zu sogenannten Passatstörungen kommen kann, wenn ein nördliches Tiefdruckgebiet zu grossen Einfluss nimmt und Flaute oder Starkwinde aus unterschiedlichen Richtungen verursacht. Ein Bestandteil des Passatwindes sind die mehr oder weniger ausgeprägten Squalls (Gewitterzellen). Nachts sind sie heimtückisch, da sie schlecht sichtbar und vorhersehbar sind. Ist man aufmerksam, kann man meistens im Radar die dazugehörige Regenzelle beobachten. Dann heisst es blitzartig Reffen, Reffen, Reffen. Das ganze Spektakel dauert jeweils nur 10 – 20 Minuten und das Schiffsdeck und die Crew sind wieder Süsswasser gereinigt. Um kein zu grosses Risiko einzugehen, hatten wir mit zunehmender Passatwindstärke abends, bei beginnender Dämmerung die Segelfläche vorsorglich verkleinert. Nicht alle Übersegler haben dies so gemacht und sind unter Regattabedingungen mit vollen Tüchern in die Nacht gesegelt. In Martinique hatte mir ein österreichischer Skipper erzählt, sie hätten bei der Überfahrt drei(!) Spinnacker unbrauchbar gemacht – na Servus! Wer hat schon drei Spinnacker an Bord. Auch wir hatten ein Spinnacker-Problem, aber dazu später.

Schlussendlich ist es eigentlich die Welle, die eine Atlantiküberquerung zu einem mehr oder weniger strapaziösen Erlebnis macht. Mit den ost-nordöstlichen Winden kommt die Welle aus achterlicher Richtung und trifft das Schiff schräg von hinten. Daraus entsteht das sogenannte Schlingern, ein Schaukeln in Längs- und Querachse. Bei 3-4 hohen Wellen wird damit jede Bewegung und Tätigkeit zur akrobatischen Leistung. Vor allem Kochen und Abwaschen erfordert zirkusähnliches Geschick und man wird je nachdem zum Artisten oder zum Clown. 

Rigg und Technik: Beim Rigg kann man nicht mehr tun als vorab im Hafen das gesamte stehende und laufende Gut akribisch auf einwandfreien Zustand prüfen. Während der Fahrt lassen sich lediglich Bolzen und Sicherungen an Deck kontrollieren und die Wanten und Terminals sowie alle Umlenkrollen bis zur Mastspitze per Fernglas beobachten. Die übrige Technik an Bord kann je nach Zustand oder Störung zu kleineren oder grösseren Problemen führen.

Auch wir waren nicht vor unliebsamen Überraschung verschont – allerdings ohne schwerwiegende Folgen. Bei ständig nachlassender Stromproduktion durch den Hydrogenerator hatte sich bald einmal herausgestellt, dass ein Defekt vorliegen musste. Schlussendlich hat der durchgebrannte Regler zum Verzicht dieses Gerätes geführt – leider. So mussten wir alle zwei Tage den Motor für etwa zwei Stunden in Betrieb nehmen nur um die Bordbatterien zu laden und die Trinkwasseraufbereitung durch die Entsalzungsanlage betreiben zu können. Mit reduzierten Touren und ohne Propellerantrieb allerdings, aber trotzdem. Wer hört schon gerne während des Segelns das monotone Motorengeräusch. Ebenfalls versagt hatte die Nachtbeleuchtung an einem der beiden Steuerkompasse. Für uns war dies zwar kein Problem, da wir zu 99% mit Autopilot unterwegs waren und somit nur passiv steuern mussten. Passiv steuern heisst, ab und zu den Autopiloten um ein bis zwei Grad zu korrigieren um das Risiko einer ungewollten Halse zu minimieren.

Für mich eher unangenehm waren zwei Vorkommnisse, bei denen ich im Atlantik tauchen musste um an die Propellerwelle zu kommen. Einmal war bei einer ungewollten Halse (mit gesichertem Baum natürlich), die Angelleine mit Stahlvorlauf in die für das Notmanöver laufende Propellerwelle gelangt und hatte diese augenblicklich blockiert. Ein anderes Mal musste der Spinnacker geborgen werden, da eine Schot wegen Überlastung gerissen war. Dank des schnellen und mutigen Eingreifens meines sturmerprobten Mitseglers Haluk konnten wir zwar den Spinnacker (Parasailor) unverletzt bergen, hingegen fand das über Bord gegangene Bergetau seinen Weg ebenfalls in die für das Notmanöver laufende Propellerwelle. Tauchen mitten auf dem Atlantik war kein spassiges Erlebnis. Eintausend Seemeilen beidseits von Bug und Heck zum Festland, viertausend Meter in die Tiefe und eine Welle von drei Metern. Der österreichische Skipper würde dazu sagen – na Servus! Hinzu kam ja noch die unterschwellige Angst von kleineren und grösseren Meeresbewohnern, die in Küstennähe eher selten anzutreffen sind, sowie die Ungewissheit, ob der Schaden bei den schwierigen Verhältnissen überhaupt zu beheben sei. Trotzdem die Arbeit musste getan werden, denn eine funktionierende Maschine ist für Notmanöver zwingend erforderlich. Ohne meine ‘Freediver’ Tauchausrüstung wäre eine Problemlösung undenkbar gewesen. So hingegen konnte ich für längere Zeit in (relativer) Ruhe unter Wasser arbeiten und die Schraubenwelle jeweils wieder frei bekommen (s. Bild).

Die menschliche Komponente: Eine Atlantiküberquerung auf der Passatroute dauert etwa drei Wochen. Die gängige Bootsgrösse der Übersegler liegt im Durchschnitt bei etwa 14 Metern Länge und 4-5 Metern Breite. Wenig Raum also für das Leben an Bord für mehrere Personen und mehrere Wochen. Dies stellt physische und psychische Anforderungen an jedes einzelne Crewmitglied. Entschärft wird das Problem bei reduzierter Crew. Weniger Menschen - mehr Freiraum für den Einzelnen. Absolut vorteilhaft ist es, wenn sich die Crew bereits sehr gut kennt und damit mit den Stärken und Schwächen der Mitsegler umgehen kann. Stellt sich vielleicht die Frage, wie gut kennt man seine Freunde und Bekannte wirklich. Ich hatte mich bewusst für eine dreier Crew entschieden um grösstmöglichen Freiraum und mit der Belegung nur einer Person pro Koje eine gewisse Privatsphäre zu gewährleisten. Zudem zählte Haluk, einer der Crewmitglieder zu der Mannschaft, die bereits 2011 eine Atlantiküberquerung mit mir absolviert hatte. Ich wusste, dass ich mit meinem Freund Haluk sogar eine Weltumsegelung unternehmen würde. Haluk verbürgte sich für seinen Freund, der ihn als Mitsegler begleitete. Ein sehr wichtiges Instrument zur Aufrechterhaltung der guten Moral, ist eine abwechslungsreiche und gute Verpflegung. Wir hatten trotz der ‘Kochstrapazen’ wirklich königlich gegessen und getrunken und die drei Tagesmahlzeiten immer eingehalten. Sogar das Frühstücksei hatte nie gefehlt. Frischen Fisch gab es leider nur zweimal, obwohl wir mehrmals grosse Fänge an der Leine hatten – zu grosse, wie sich mehrmals nach Verlust von Leine und Köder feststellen liess. 

Die Überquerung dauerte in unserem Fall 22 Tage, wobei wir an unserem ursprünglich festgelegten Ziel Barbados nach 21 Tagen bewusst vorbeigesegelt sind und St. Vincent angesteuert hatten. Hätten wir die ersten vier Tage nicht entlang der afrikanischen Küste aufkreuzen müssen, wäre eine Überquerung unter 20 Tage möglich gewesen. ‘Anita’ war nämlich schnell, sehr schnell unterwegs. Durch den anfänglichen Umweg hatten wir nämlich in diesen 22 Tagen nicht nur die üblichen 2'800 sondern 3'200 Seemeilen zurückgelegt. Just an diesem letzten Tag, etwa 30 Seemeilen vor St. Vincent überrannte uns eine Gewitterzelle mit Sturmböen über 40 Knoten und sintflutartigen Regenfällen. Obwohl stark gerefft hielt die Verankerung des Spinnackerbaumes, welcher zur Stabilisierung des gerefften Vorsegels eingesetzt wurde, den Kräften nicht mehr Stand und brach entzwei. Glück im Unglück, denn der Spinnackerbaum schlug nicht auf das Deck, sondern baumelte an seinen inneren und äusseren Halteleinen wild umher. Wieder mit Haluks kräftiger Unterstützung konnten wir den Baum unter misslichen Bedingungen bändigen und seitlich an der Reeling festzurren. Auch zerrten die Böen dermassen stark am Vorsegel, dass sich äussere Lagen des mehrschichtigen Segelmaterials ablösten und den Böen hinterher flogen. Schäden, die auf eine Reparatur am Zielort Le Marin in Martinique warten mussten. 

Für die Crew war es ein grosses Erlebnis kurz vor Weihnachten endlich Land in Sicht zu bekommen und schliesslich wieder einmal festen Boden unter den Füssen zu haben. Da wir mitten in der Nacht St. Vincent erreichten und in einer Bucht vor Anker gingen, konnten wir die Details unserer neuen tropischen Umgebung erst am Morgen so richtig geniessen – Palmen, weisser Strand und 25 Grad Wassertemperatur. Endlich hatten wir auch wieder täglichen Kontakt mit den Lieben zu Hause, obwohl wir unterwegs per Satelliten Telefon ab und zu Reiseverlauf und Grüsse mitteilen konnten. Der Rückflug meiner beiden Mitsegler nach Europa war für den 3. Januar 2017 ab Martinique vorgesehen und so hatten wir noch zwei Wochen entspanntes Segeln vor uns entlang der Inseln St. Vincent, St. Lucia und Martinique. In Le Marin, Martinique angekommen hiess es ‘Anita’ nach drei Wochen und mehr als 3'000 Seemeilen von Salz und Korrosionsansätzen zu befreien. Die Crew hatte sich aufgeteilt, indem die beiden Mitsegler intensiv Deck und Reeling pflegten und ich unter Deck für Ordnung und Sauberkeit verantwortlich war. Ein schöner und interessanter Abschluss unserer gemeinsamen Reise war die Inselrundfahrt von Martinique per Mietauto. Haluk war über ein Jahr für seine Firma in Martinique tätig und eignete sich deshalb ausgezeichnet als kompetenter Reiseführer. Im Anschluss an ihre Heimreise am 3. Januar konnte ich in Le Marin die notwendigen Reparaturen an ‘Anita’ ausführen. Diese Naturbucht im Süden von Martinique mit ihren Marinas, Werften und Spezialausrüster eignet sich für jegliche Reparaturen an Schiff und Ausrüstung. 

Schon bald, am 10. Januar würde mein Besuch aus der Schweiz eintreffen für einen 3-wöchigen Segeltörn. Dies aber ist eine andere, neue Geschichte.

Mein Freund Haluk hat für sich einen Film geschnitten und diesen auf Youtube gestellt. Hier der dazugehörige Link

    

 

 

 

SY Anita(info@sy-anita.ch)Forward articlePermalinkComments 0Gravatar: SY Anita
Views: 6134

Login

Login

Finde den Standort von „Anita“ oder verfolge den Kurs auf:

 
 
Südostschweiz Newmedia AG - Die TYPO3 und Drupal Web-Agentur für Ihre professionelle Website