Logbuch

17.08.2018
19:23

Kleine Antillen 2017 / 2018

Bevor ich nun in einem Monat meine Reise Richtung ABC-Inseln und Kolumbien fortsetze, möchte ich euch einen kleinen Einblick über die vergangenen eineinhalb Jahre in den Kleinen Antillen nicht vorenthalten, einem herrlichen Segelrevier mit einer Nord-Süd Ausdehnung von rund 600 sm, beginnend im Norden mit den Virgin Island (östlich von Puerto Rico) bis Trinidad ganz im Süden nur gerade 10 Seemeilen vor der Venezuelanischen Küste entfernt. Dazwischen liegen viele kleinere und grössere Inseln mit unterschiedlichsten Staatenzugehörigkeiten. Zu den Grösseren zählen Inseln mit bekannten und wohlklingenden Namen wie St.Martin/Sint Maarten, Saint Kitts, Nevis, Antigua, Guadeloupe, Domenica, Martinique, St.Lucia, St.Vincent und die Grenadinen, Greneda, sowie Trinidad und Tobago (von Nord nach Süd).

Als ich Ende 2016 vom Atlantik kommend in der Karibik angelandet bin, haben mich Segler mit „Willkommen im Paradies“ begrüsst. Was soll ich nun nach eineinhalb Jahren Karibik dazu sagen. Es gibt kein Paradies auf Erden – Punkt Schluss. Oder kann mir jemand erklären, was die höllischen Hurricanes in einem Paradies zu suchen haben, die regelmässig die Grossen Antillen und Leeward Islands heimsuchen und Tod und Zerstörung hinterlassen mit all dem Leid für die lokale Bevölkerung? Vernünftige Segler haben es einfach, sie verlagern ihr Törngebiet während der Hurricane Zeit weiter südlich und sind vor diesen gewaltigen tropischen Stürmen, mit wenigen Ausnahmen, sicher. Oder sie lassen ihre Yacht an Land hieven und dort an speziell geschützten Orten sturmsicher festzurren, um dann die Monate Juli bis Oktober in ihrer Heimat zu verbringen.

Als Neuankömmling mit viel Respekt vor den Naturgewalten, habe ich mich deshalb im Februar 2017 direkt in den Süden nach Grenada begeben, um mir einen Hafenplatz in der modernen Marina Port Louis für die Monate Juni bis Oktober zu sichern und ebenfalls eine Werft zu finden, die einen Garantieschaden (Farbveränderung in der Gelcoat Aussenschicht) während der Hurricaneperiode fachmännisch beheben sollte.

Nach dieser Erkundungstour hatte ich also vier Monate Zeit, die Kleinen Antillen von Süden nach Norden zu entdecken.

Es ist ein herrliches Segelrevier und dabei kann man dann wirklich von paradiesischen Verhältnissen reden. Man stelle sich vor, jahrein, jahraus etwa 30 Grad Tagestemperatur und 24 Grad Nachttemperatur, Wassertemperatur etwa 27 Grad und nahezu immer ein angenehmer Passatwind zwischen 15 und 25 Knoten – genial. Hinzu kommt, dass aus der lockeren Passatbewölkung mehr oder weniger täglich ein kurzer aber heftiger Regenguss das Deck von Salzwasser befreit. Korrosion an Stahl- und Edelstahlteilen ist deshalb im Überwasserbereich verglichen mit dem Mittelmeer hier eigentlich kein Thema.

Ein besonderes Merkmal dieses Segelreviers bringt der ständig von Ost-Nordost bis Ost-Südost wehende Passat oder Tradewind. Dies bedeutet, dass man während der Segelsaison Ankerbuchten (davon gibt es tausende) auf der Westseite der Inseln geschützt und sicher in vier bis fünf Meter Wassertiefe vor weissen Sandstränden als Ankerplatz zum Schnorcheln oder zum Übernachten anlaufen kann. Man liegt eigentlich immer vor Anker und sucht nur ganz selten eine der wenigen Marinas für den Grosseinkauf, Reparaturen oder Gästewechsel auf. Das Wasser in den Buchten ist im Allgemeinen sehr klar. Ausnahmen bilden vereinzelte starke Regenfälle, welche dann die Bäche aus den tropischen Wäldern mit Erdreich und Pflanzen anreichern und ins Meer tragen. Die Unterwasserwelt ist verglichen mit dem Mittelmeer ebenfalls paradiesisch. Die kleineren und grösseren Riffe die überall anzutreffen sind, beherrbergen eine riesige Vielfalt von Pflanzen und Tieren, die man als Europäer nur in Aquarien zu sehen bekommt. Schnorcheln oder auch Tauchen (mit Brevet) gehören hier zum Alltag. In den meisten Buchten mit Sand und Seegras finden sich stattliche Schildkröten (ein Meter Panzerdurchmesser), die sich nicht sonderlich von Schnorchlern beeindrucken lassen. So kann man diese an Land schwerfälligen, im Wasser hingegen schwebenden, behenden Tiere beim Grasen, Auf- und Abtauchen aus nächster Nähe beobachten, fotografieren und filmen – mit wasserdichten Kameras versteht sich. Die Unterwasser Pflanzenwelt ist unglaublich vielfältig in Farben, Formen und Grössen. Die Fischwelt präsentiert sich ebenso abwechslungsreich mit den kleinen Zierfischen, die wir aus den Salzwasseraquarien kennen, bis hin zu den grösseren Barrakudas, Riff Haien (eher selten) und den eindrucksvollen Stachelrochen. Für den Schnorchler, der den gebührenden Sicherheitsabstand wahrt, besteht absolut keine Gefahr. Was mich immer wieder erstaunt hat, ist die evolutionäre farbliche Anpassung der Fische an ihre gewohnte Umgebung.

Als ich von Grenada Richtung Norden unterwegs war, hat sich die Aussenschicht meines Vorsegels, von den Strapazen der Atlantik Überquerung gezeichnet, mehr und mehr abgelöst. In Martinique (Le Marin) gibt es ein grosses Angebot an Nautikspezialisten und Shops, sowie auch Segelmachern und Rigger. Hier konnte ich dann ein neues Vorsegel bei Northsails ausmessen lassen und bestellen. Mein Schiff war original mit Elvström Hi-Tech Segeln ausgerüstet. Seglerisch absolut top mit klaren Geschwindigkeitsvorteilen zu Standardsegeln, mit dem Nachteil allerdings, dass die Lebenserwartung gegenüber Blauwasser Segel etwa bei der Hälfte liegt, also vier bis fünf Jahre im Dauergebrauch. Ich hoffe, meine Investition in ein robustes Langzeitsegel bewährt sich. Meine „Anita“ ist auch mit dieser neuen Besegelung sehr schnell.

Was das Segeln in den Antillen anbelangt ist einiges zu berücksichtigen. Obwohl, wie bereits erwähnt, bietet der stetig wehende Passatwind aus östlichen Richtungen mindestens in den Leeward Islands (Nördliche Inseln) herrliche Raumwindkurse. Mit 20 Knoten Wind fahre ich meistens ein Reff im Grosssegel. In der Abdeckung der Inseln (Leeseite) ist der Wind oft böig und schwächer als auf deren Ostseite (Luvseite). Trotzdem segeln 90 Prozent auf der Westseite der Inseln. Dies hat folgenden Grund. Die Antillen liegen eigentlich mitten im Atlantik und damit sind sie auf ihrer Ostseite den Atlantikwellen ausgesetzt, die aufgrund abnehmender Wassertiefe ihre Länge verlieren und damit recht steil und hoch auf das Land und die östlich segelnden Yachten treffen – eher ungemütlich. Auch gibt es auf der Luvseite der Inseln mit ganz wenigen Ausnahmen keine geschützten Ankerplätze. Wenn man also von einer Insel zur nächsten segelt, trifft man immer auf die Atlantikwelle, was manch ein Cremitglied oder Gast zum „kotzen“ findet. Eine weitere nicht zu unterschätzende Gefahr sind die je nach Wetterlage auftretenden Gewitterzellen (Squalls). Wenn man so einer Gewitterzelle begegnet (ausweichen kann man nicht) und nicht rechtzeitig grosszügig refft, kann man seine blauen Wunder erleben. Die Böenwalzen bringen locker 30-50 Knoten Wind an die Segel und die Sicht verringert sich bei einsetzendem Regen und Gischt auf null. Gerefft ist die Situation für Schiff und Crew absolut ungefährlich, vor allem weil sich das ganze Unwettergebilde nach 10-15 Minuten verzieht und die Welt  wieder in Ordnung ist, als wäre nichts geschehen. Viele Charterschiffe beachten diese Gefahr zu wenig und laufen bei Vollbesegelng in solche Gewitterzellen und bekommen (Skipper und Crew) den Schreck ihres Lebens ab. Oft mit entsprechenden Schäden an Rigg, Segel und Psyche.

Wie eingangs erwähnt, sind die Inseln der Kleinen Antillen autonome Staaten oder Überseeterritorien europäischer Staaten. Die Kulturen, vor allem im Bereich Essen und Trinken mögen sich stark unterscheiden. So sind die französischen Inseln wahre Gourmetoasen, was Speisekarte, aber auch Lebensmittel- und Getränkebeschaffung anbelangt. Eines aber haben alle Inseln gemeinsam. Die Menschen lieben Musik, Rythmus, Rum und sind freundlich, offen und stehts hilfsbereit. Dabei leben sie oft in sehr einfachen Verhältnissen und auch die Arbeitslosigkeit ist je nach Insel relativ gross. Klar, dass viele jüngere Leute versuchen die Bordkasse der Fahrtensegler mit kleineren oder grösseren Dienstleistungen zu belasten wie Hilfe an der Festmacherboje, Kehricht entsorgen, Belieferung mit frischem Brot, Früchte und Gemüse und oft auch mit handgefertigten Souvenirs und guten Tipps. Leider gibt es auch in diesem Business einzelne aufdringliche und preistreibende schwarze Schafe. Die echte Kriminalität gegenüber Fahrtenseglern beschränkt sich aber mit ganz wenigen Ausnahmen auf ein absolutes Minimum. Logisch, dass man sein teures Dhingi mit Aussenborder über Nacht an die Kette legt oder an das David hängt – wir schliessen ja unsere Fahrräder und Mofas zu Hause auch ab.

Die grosse Anzahl von Kleinstaaten und Überseeterritorien bedeutet für den Segler Grenzen überschreiten. Die europäischen Überseeinseln von England, Frankreich und Holland gehören nicht zum Schengenraum. Inselhüpfen heisst also auch ausklarieren, einklarieren, ausklarieren, usw. Dies tönt einfach, ist es aber nicht immer. Immerhin sind es drei Instanzen, Zoll, Immigration und Portofficer, die jeweils Dokumente und ausgefüllte Formulare prüfen und stempeln wollen. Und ist nur eine Instanz zum Kaffee, heisst es warten. Ein unverschlossenes Büro bedeutet auch nicht, dass ein Beamter drin ist – wiederum warten. Oft ist es zeitlich sinnvoller eine halbe Stunde zum Flugplatz zu gehen und dort die Sache unkomplizierter erledigen zu lassen. Kosten entstehen die selben.

Eines der schönsten Segelreviere in den kleinen Antillen sind sicherlich die British Virgin Islands ganz im Norden. Durch die Anordnung der vielen kleineren und grösseren Inseln ergibt sich ein von den Atlantikwellen geschütztes Törngebiet. Die Distanzen von Bucht zu Bucht sind gering und die Navigation ist entsprechend einfach. Allerdings, und dies gilt für sämtliche Inseln der Antillen, ist den vorgelagerten Riffs in unmittelbarer Landnähe grosse Beachtung zu schenken. Die heutigen elektronischen Navigationskarten bieten mit ihrer Genaugkeit zwar eine sehr gute Hilfe für den Steuermann, totzdem gilt es, mit grosser Wachsamkeit Buchten und Ankerplätze anzulaufen. Dies wird dem Segler immer wieder vor Augen geführt und bewusst, wenn er die unzähligen aufgelaufenen Wracks von Segelschiffen entlang der Küsten zu sehen bekommt.

Einen ganzen Monat habe ich diese wunderschöne Inselwelt der British Virgin Islands genossen, segelnd, tauchend aber auch wandernd. Dies ist natürlich auch die Zeit der Kreuzfahrtschiffe, welche die Inselwelt unter Motor oder segelnd befahren und abertausende von Tagestouristen und Souvenirjäger den Einheimischen ein Einkommen ermöglichen. Nur vier Monate später hat der Hurricane „Irma“ alles zerstört. Es wird Jahre dauern, bis sich die Natur und die Zivilisation von dieser Naturkatastrophe gänzlich erholt haben wird – und dabei immer wieder die Bedenken vor neuer Zerstörung!

Auf meiner Rückreise Richtung Süden hatte ich nebst St.Martin und St. Barth die für den Yachtsport bekannte Insel Antigua als weitere Station angelaufen. Während meines Aufenthaltes fand in Antigua zufälligerweise die bekannte „Antigua Sailing Week“ mit beeindruckenden Megayachten und Racern statt. Entsprechend feucht fröhlich und mit beschwingten karibischen Rythmen mit bekannten Steelbands ging es dann jeweils am Abend und in der Nacht zu und her. Ich muss eingestehen, dass ich in den vergangenen Jahren die Lebensweise der Hi Society gar nicht so sehr vermisst habe.

Ab Mai zeigte mein Kompasskurs dann mehrheitlich nach Süden. Ich wollte rechtzeitig vor der Hurricane Saison in Grenada eintreffen. Immerhin war es mein erstes Jahr in einer Hurricane Region. Unterwegs hatte ich weniger Delphine beobachten können als im Mittelmeer. Es gibt natürlich welche, wie das Bild zeigt. Entweder waren es Zwillinge oder ein Liebespaar. Ein sicherlich einmaliges Erlebnis war für mich, einen springenden Wal beobachten zu können und bildlich festzuhalten.

Für den Langzeitsegler ist Fischen eine natürliche und beliebte Art der Nahrungsbeschaffung. Nicht so in den kleinen Antillen. Seit einigen Jahren nimmt die Entstehung von Sargassogras (Braunalge) dermassen zu, dass Schleppangeln auf hoher See schlicht unmöglich wird. Kaum sind Leine und Haken im Wasser, ist auch schon was daran – Sargassogras. Oft entstehen im Atlantik riesige Algenteppiche, welche die Strömung Richtung Inseln treibt. Kann man wegen der grossen Ausdehnung einem solchen Algenteppich nicht ausweichen, driftet man durch die Algen gebremst im Schritttempo, trotz Vollsegel und Wind in Schräglage dahin. Die Wellen werden durch den dichten Teppich völlig abgedämpft. Vom Schiff aus sieht das dann so aus, als würde man durch Nachbars Garten segeln (s.Bild). Ein weiterer grosser Nachteil dieses sich jährlich verstärkenden Klima Phänomens (ich nenne es Trumpeffekt) bekommen jene Yachteigner zu spüren, welche einen Hydrogenerator für die Stromerzeugung einsetzen. Ich gehöre auch dazu. Es ist ein einfaches Gerät mit Propeller und Stromgenerator, welches am Heck des Schiffes zu Wasser gelassen wird und mittels Propellerdrehung Strom erzeugt. Auch hier verfangen sich die Algen sofort und das Gerät wird zwecklos.

Pünktlich auf Vertragsbeginn bin ich dann im Juni 2017 in der Port Louis Marina in Grenada eingetroffen um mich als Tropenneuling auf die Hurricane Saison vorzubereiten. Die Erfahrung hat dann zwar gezeigt, dass hier weit im Süden gar nichts passiert. Trotz starker Hurricane Tätigkeit im Norden herrschten während der folgenden sechs Monate wunderbare Segelbedingungen. Einzig die Regenhäufigkeit hat zugenommen und damit auch die Luftfeuchtigkeit. Diese erhöhte Luftfeuchtigkeit ist für viele Yachties, die ihr Schiff in der Karibik lassen und für Monate nach Europa reisen ein ernsthaftes Problem. Ohne wöchentliches Lüften besteht Gefahr für Schimmel- und Pilzbefall in Schränken, Schubladen und unter Matratzen. Es ist fast zwingend, für längere Abwesenheiten einen Lokal Guy für das „Boatwatching“ zu engagieren. Ich habe glücklicherweise eine Klimaanlage an Bord und kann im Hafen die Luftfeuchtigkeit dadurch gering halten und dazu noch angenehm gekühlt schlafen, denn bei steigender Luftfeuchtigkeit werden hohe Temperaturen zunehmend unangenehm und sprichwörtlich schweisstreibend.

Die Port Louis Marina (eine 6* Camper Nicholson Marina) bietet jeden Komfort inkl. Restaurants, Pool, Wäscherei, Zoll und Immigration, klimatisierte Duschen und Toiletten, usw. Vor allem die Lage unmittelbar an die Haupstadt St.Georg’s angrenzend ist ideal. In der Marina liegt man ruhig und entspannt und ist trotzdem in fünf Minuten mit dem ÖV in der Hauptstadt. Im Gegensatz zu den französischen Inseln, die eigentlich gar keinen ÖV bieten ausser Schulbusse, glänzen die karibischen Staaten mit einem genialen ÖV System. Im Zentrum der jeweiligen Hauptstadt ist der Busbahnhof, das kann auch nur ein Perron sein. Von diesem zentralen Ort aus fahren Kleinbusse (15-Plätzer) in alle Himmelsrichtungen, lediglich bezeichnet mit einer Strecken Nummer oder dem entsprechenden Fernziel. Es gibt keinen Fahrplan und in den meisten Fällen auch keine Haltestellen. Die Busse fahren je nach Tageszeit mehr oder weniger frequentiert. Mehr als fünf Minuten wartet man aber nie. Oft fahren sogar zwei oder drei Busse hintereinander her. Das Geniale ist jedoch, man steht irgendwo am Strassenrand, winkt und der Bus hält. Wenn man aussteigen möchte, klopft man an die Fensterscheibe, und der Bus hält. Dies für unsere Verhältnisse zu einem Spottpreis. Eine halbe Stunde Bus fahren kostet umgerechnet etwa 85 Rappen. Im Bus trifft man über Kleinkinder und Schüler bis zum Greis alle Bevölkerungsschichten. Und sämtliche Köpfe wippen zum Rythmus der viel zu lauten Reggae Musik – herrlich. Dabei ist mir immer wieder aufgefallen, wie gepflegt und gut gekleidet die Menschen daher kommen. Die Frisuren der Frauen sind oft Kunstwerke, gestrickt, geknüpft, gespränkelt, geperlt und was auch immer. Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass die Menschen hier, obwohl sie ein einfacheres und bescheideneres Leben führen als wir, viel zufriedener und glücklicher sind. 

Bedingt durch die Hurricane Pause, hatte ich genügend Zeit die tropische Insel Grenada mit Bus und Wanderschuhen zu erkunden. Lediglich 12 Grad nördlich des Äquators gelegen, ist die Insel tropisch immergrün und es ist abseits der Wege absolut kein Durchkommen. Die Natur nimmt sich jeden Zentimeter, der nicht von Menschenhand freigehalten wird. Dies betrifft Telefonstangen, welche durch Ranken nicht mehr sichtbar sind, abgestellte Fahrzeuge oder Schiffe, und natürlich auch Bauruinen und Wohnhäuser, deren Gärten und Umschwung nicht laufend gepflegt werden. Durch die Farbenpracht der exotischen Bäume und Farne mit oft bis zu zwei Meter durchmessenden Blättern und überdimensionierten Blumen und Blüten, kommt man nicht aus dem Staunen heraus. Am Strassenrand blühen die Orchideen wie bei uns das Unkraut. Auch der typische feuchte Urwaldduft nach Modrigkeit, Planzen und Blüten begleitet einem stets auf den Wanderungen. Die vom Urwald bedeckte hügelige Landschaft gibt auf Wanderwegen immer wieder den Blick auf kleine und grössere Wasserfälle und Kraterseen frei. Da sehr viele Segler die Sturmzeit in Grenada verbringen, ist auch immer irgendwo, irgendetwas los. Die wöchentlichen Treffs der Segler aus aller Welt in einfachen lokalen Restaurants mit Barbecue und Musik sind legendär. Oft sind die Musiker selbst Segler und veranstalten regelrechte Jam Sessions. Es wird aber auch hochstehende, professionelle Musik angeboten. So findet beispielsweise in einem von einem bekannten Schweizer Ehepaar geführten Marina/Hotelressort „Le Phare Bleu“ auf dessen Lightship ein wöchentliches bühnenreifes Konzert statt. Der Hotelbesitzer ist gleichzeitig Bandleader und sitzt am E-Piano. Jährlich im Oktober ist die Band mit ihrer super Sängerin einen Monat auf Europatournee.

Gegen Ende Juli war es dann wieder soweit für den jährlichen unverzichtbaren Besuch meiner Kinder und Enkelkinder und all den Freunden und Bekannten in der Schweiz. Da ich mit meiner Tochter Anita und den Enkelkindern wöchentlich oft mehrmals in Kontakt stehe, ist vom „Fremden“ bei der Ankunft am Flughafen in Zürich-Kloten bei den Beiden keine Rede. Nina und Dario stürmen jeweils geradezu auf mich los. Meine Tochter ist eh ein Schatz, da sie während meiner 11-monatigen Abwesenheit über meinen Briefkasten wacht und die meisten Abwesenheitsprobleme gerade selbst an die Hand nimmt. Mein Schweizaufenthalt war wiederum kurz, aber heftig. All die Einladungen zu fürstlichen Mahlzeiten, das institualisierte Kulturreisli mit Crewmitgliedern, das Kunkels Maiensäss Wochenende, der mehrstündige Liechtensteiner Lunch, usw. bleiben mir jeweils lange in Erinnerung. Einen speziellen Dank gebührt auch meiner Gastfamilie Markus und Jill in Haldenstein, bei denen ich während meines Schweizaufenthaltes ihre kleine Zweitwohnung einfach so für mich nutzen kann. Markus spielt auch gerne kostenloser Taxichauffeur – vielen Dank. So verging die Zeit in der Schweiz schnell und sehr kurzweilig. Der Abschied von meiner Tochter und den beiden Enkelkinder ist jedesmal sehr emotional und schrecklich. Mein Gepäck war immer bis zum Limit mit zusätzlichen Ersatzteilen und Zubehör gefüllt. Dieses Jahr hatte ich sogar ein zusätzliches Gepäckstück. Anita und mein Sohn Andrea haben mir eine nicht ganz kleine Tiefkühlbox geschenkt, die nun ebenfalls mit auf die Reise ging. Die Gäste auf „Anita“ und insbesondere ich haben inzwischen den Gin Tonic oder Cola Rum mit Eis beim Sonnenuntergang schätzen gelernt. Aber auch Fisch, Fleisch, Brot, vorbereitete Mahlzeiten, usw. finden sich für Langfahrten in der neuen Gefrierbox – eine weitere Steigerung der Lebensqualität auf meinem Schiff.

Eine eher unrühmliche Geschichte, deren Inhalt ich nur ganz wenig Platz einräumen möchte (einmal ärgern genügt schliesslich), war die Lackierung des seitlichen Bootrumpfes auf Werkgarantie, als ich wieder zurück in Grenada war. Insgesamt 7 Wochen bin ich in der Marina Clarkes Court mit meinem Schiff auf dem Trockenen gestanden und die Arbeit der Firma CBS war alles andere als befriedigend. Dies veranlasste mich dann auch gegenüber meiner Werft in Deutschland einen Garantievorbehalt zu hinterlegen. Zur Sache nur soviel: ich hatte vorher schon einige graue Haare, jetzt habe ich nur noch graue Haare, inklusive drei Tagesbart.

Durch die zeitliche Verzögerung auf dem Boatyard musste ich mich im Anschluss sehr beeilen, Mitte Dezember noch rechtzeitig meine ersten Gäste aus der Schweiz in Martinique in Empfang nehmen zu können. Das gemeinsame Weihnachtsessen im berühmten Restaurant „Dolittle“ in der Marigot Bay, St. Lucia hat meine unschönen Erinnerungen vom Bootsyard dann aber schnell verdrängt. In der Zeit von Mitte Dezember 2017 bis Mitte Mai 2018 hatte ich insgesamt 8 Törns mit Bekannten, Verwandten und Freunden in dieser Region (Martinique bis Grenada) absolviert. Sonnenuntergänge wurden dabei mit Abstand am Häufigsten fotografiert. Wegen der grossen Hurricane Schäden war eine Ausdehnung des Törngebietes nach Norden leider nicht möglich, obwohl dies so geplant war. Zwei Crews mussten deshalb ihre Flugdestination von St. Martin nach Martinique umbuchen. Meine zunehmenden Revierkenntnisse machten mich dann auch mal zum lokalen Reiseleiter. Ich kannte bald die empfehlenswerten Ausflugsziele an Land und die entsprechenden Aussichtspunkte und Restaurants auf den verschiedenen Inseln. Statt mit lokalen Reiseanbietern relativ teure Touren zu machen, konnte ich per Leihwagen den Gästen individuelle Highlights vor Augen führen. Ich musste jeweils einfach aufpassen, auf welcher Insel ich nun mit Links- oder Rechtsverkehr unterwegs zu sein hatte. Mit einer Ausnahme waren die Gästetörns auch für mich wiederum sehr erholsam und abwechslungsreich. Zu dieser Ausnahme auch nur eine kurze Bemerkung. Auf einem kleinen Schiff mit kleiner Pantry und gemischter Crew eignet sich eine militante vegane Gesundheitsernährung nicht. Man müsste zwei Kühlrschranke, zwei Kochherde und viel mehr Stauraum zur Verfügung haben um all die zusätzlichen veganen Produkte zu kühlen, zu stauen und zuzubereiten. Vegetarier sind diesbezüglich absolut unproblematisch. Sie essen anstelle von Fleisch einfach ein bisschen mehr Beilagen, Gemüse und Salat und statt Rindsbouillion benutzt man halt Gemüsebouillion – so tolerant sind die Nichtvegetarier.

Technisch ist mein Schiff immer noch absolut top und fit. Allerdings gehen auch an „Anita“ sechs Jahre Hochsee mit rund 20‘000 zurückgelegten Seemeilen nicht ohne Abnutzungserscheinungen vorüber. So musste ich dieses Jahr auch das Grossegel ersetzen und bereits zum zweiten Mal die Bordbatterien austauschen. Auch die elektrische Ankerwinde hatte eines Tages mit einem Getriebeschaden ihren Betrieb eingestellt. Zwei oder drei Tage ohne diese Winsch, allein mit Muskelkraft den Anker zu lichten, lehrt einen dieses Zubehör echt wieder zu schätzen. Crewmitglieder die dabei waren können dies bestätigen. Im Allgemeinen ist es schon toll, wenn Gäste ihre speziellen beruflichen Kenntnisse am Boot einsetzen. Dabei danke ich allen Computer-, Mechanik- und handwerklichen Spezialisten die mich unterstützt haben.

Nun bin ich also wieder im südlichen Grenada um die zweite Hurricane Saison zu verbringen. Durch die erlangte Karibik Erfahrung bin ich allerdings einen Monat später Richtung Süden gesegelt und werde auch mehr als einen Monat früher weitersegeln als im Vorjahr. Auch bin ich dieses Jahr nicht in der Marina, sondern ankere in verschiedenen Buchten im Süden Grenadas. Dies ist abwechslungsreich und ergibt immer wieder neue interessante Kontakte und Freundschaften. Wichtig ist dabei allerdings, dass man sich laufend mit der Wetterentwicklung und den entsprechenden Vorhersagen beschäftigt. Dazu bietet das National Hurricane Center in Florida (NOAA) eine absolut unverzichtbare Hilfe. Entstehende Hurricanes im Westen von Südafrika werden bereits 5 Tage vor Eintreffen in der Karibik detailliert beschrieben und bebildert. Die Informationen werden täglich mehrmals aktualisiert. Auch meine Tochter Anita beschäftigt sich während der Sturmzeit mit diesem aufschlussreichen App (NOAA) zur Beruhigung oder zum Mitfiebern. Meine Hauptbeschäftigungen der kommenden zwei Monate hier in Grenada beschränken sich auf Segeln, das Leben geniessen und meine Spanischkenntnisse vertieft aufzubessern, denn ich segle die nächsten zwei Jahre in spanisch sprechenden Hoheitsgewässern, wie Kolumbien, Panama, Kuba und der Dominikanischen Republik.

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